November 23, 2024

11. Caesar…Versuch einer Beurteilung.

Eine Beurteilung Caesars, seiner Politik und seines Charakters, fällt unglaublich schwer. Zu kaum einer anderen Persönlichkeit der Antike sind derartig viele Schriften, Biographien und Beurteilungen veröffentlicht worden. Sieht man sich allein die Eckdaten von Caesars Karriere an, so erscheint diese stetig und geradlinig; erst wenn man sich in die Materie vertieft und mehrere Autoren zu Rate gezogen hat, erkennt man, wie unglaublich unübersichtlich und ungelenkt Caesars Karriere verlaufen ist. Sein Aufstieg erfolgte nicht lückenlos, und mehr als einmal stand er vor dem politischen oder militärischen Aus. Jedes Mal konnte er sich retten, aber war dies nur sein berühmtes Glück oder außergewöhnliche Begabung? Das festzustellen ist heutzutage unmöglich, da selbst zeitgenössische Autoren schon über Caesars wirkliche Größe gestritten haben. Das Urteil bleibt jedem selbst überlassen.

Beginnen wir mit einer Bewertung seines Lebenslaufes und seines Aufstiegs. Caesars Jugend verlief durchaus unauffällig. Das war auch nicht anders zu erwarten, denn er wurde in eine Familie hineingeboren, deren Glanz schon vor Jahrzehnten verblichen war (wenn auch die Familie seiner Mutter Aurelia sehr einflussreich war, drei ihrer Cousins, die Gebrüder Cotta, bekleideten später das Konsulat). Caesar wuchs in der Subura auf, ähnlich wie Sulla – überhaupt weist Caesars Leben mehr Ähnlichkeiten mit dem Sullas auf und weniger mit dem von ihm instrumentalisierten Onkel Gaius Marius. Aus dieser ungünstigen Position begann also sein Aufstieg, den er anfangs vor allem dem Einfluss seiner Mutter verdankte. Auffallend ist allerdings, dass der junge Mann selbst offenbar weniger ambitioniert war. Viel wichtiger waren ihm die angenehmen Seiten des Lebens. In seinen Zwanzigern war er eher berühmt für seine Gelage, seinen protzigen Lebensstil und seinen schon legendären Schuldenberg als für seine zielstrebige Karriere. So entsprach er weitgehend dem typischen römischen Jungbürger aus gutem Hause. Ebenso wie andere Gleichaltrige genoss er die Freuden und Ausschweifungen, die Rom zu bieten hatte, und ließ sich von dem vorprogrammierten Werdegang des römischen Systems nach oben tragen. Somit ist er nicht mit Pompeius zu vergleichen, der schon als junger Mann versuchte die Regeln des sullanischen Aufstiegssystems für die eigene Person ausser Kraft zu setzen.

Das Intermezzo am bithynischen Königshof des Nikomedes mag ein Beispiel für die Laxheit Caesars sein. Der junge Mann kam als römischer Abgesandter an den Hof des Bithyniers, um diesen an seine Pflichten zur Truppenunterstützung der Römer in Kleinasien zu erinnern. Caesar erfüllte zwar seinen Auftrag, verweilte aber dennoch ungewöhnlich lange am Hof des Nikomedes. Der Klatsch in Rom sagte den beiden bald ein homoerotisches Verhältnis nach. Ob das nun stimmt, oder nicht, auf jeden Fall faszinierte Caesar das dekadente Hofleben derartig, dass er pflichtvergessen dort verweilte. Die Gerüchte um ihn mögen von späteren Chronisten übertrieben worden sein, um seine Bedeutung schon in seiner Jugend zu unterstreichen. Der Hauch des Verworfenen, der Dekadenz und der Verderbtheit erregte ja schon immer die heimliche Bewunderung der Menschen. In Wirklichkeit ist es eher unwahrscheinlich, dass ein so unwichtiger Mann wie der junge Caesar derart schnell zum Thema des römischen Stadtgesprächs geworden ist. Auf jeden Fall erregten später seine zahlreichen Affären mit Frauen die römischen Gemüter. Seine anderen Anekdoten aus der Zeit in Kleinasien mögen allerdings tatsächlich schon ein Hinweis auf seine späteren Meriten sein. Die Art, wie er gegen die Seeräuber vorging (schnell und auf eigene Faust handelnd) und die Verleihung einer Tapferkeitsauszeichnung bei der Eroberung einer Insel scheinen späteres zumindest anzudeuten.

Während Caesar sogar langsamer als ehrgeizigere Gleichaltrige aufstieg – allerdings hatte er auch weniger Geld und Einfluss als viele von diesen -, bestimmten Männer wie Pompeius und Crassus das politische Geschehen. In ihrer Glanzzeit mangelte es ihnen allerdings an der Risikobereitschaft eines Caesar, weshalb sie den Griff zur totalen Macht nie wagten (vor allem Pompeius, dem Mommsen vorwirft, er sei eine äußerst traurige Gestalt gewesen und hätte mehrmals sogar „abgedankt“).

Im Jahre 69 (Caesar ist mittlerweile über dreißig) ist ein erster Wandel in seinem Auftreten zu registrieren. Erst jetzt werden sich die Augen der gesamten Öffentlichkeit auf ihn gerichtet haben, sowohl Optimaten wie Populare werden seine Existenz zum ersten Mal zur Kenntnis genommen haben. Nach dem Tode seiner Gattin Cornelia und seiner Tante Julia (der Witwe des Marius) outete sich Caesar als Popular, ließ unter dem Beifall des einfachen Volkes Statuen des verpönten Marius öffentlich vor dem Leichenzug hertragen und würdigte ihn in mutigen Grabreden. Die Popularen horchten auf: War hier ein neuer Hoffnungsträger, der ihrer Partei, die im Kampf zwischen Sulla und Marius unterlegen war, wieder Auftrieb geben konnte? Auch die Optimaten mussten den neuen Gegner zur Kenntnis nehmen und werden sich seinen Namen gut gemerkt haben.

Ebenfalls im Jahre 69 wurde Caesar in seine erste Magistratur gewählt, und zwar in die Quästur. Mit dem Erreichen diese Amtes scheint sein Ehrgeiz erwacht zu sein, denn erst jetzt begann Caesar, zielstrebig seine Karriere aufzubauen. Initialzündung dafür war die Begegnung mit einer Statue Alexanders im spanischen Gades (Cadiz). „In meinem Alter beherrschte Alexander schon die Welt“, soll Caesar sich selbst vorgeworfen haben. Dann bat er um seine Entlassung nach Rom, um dort die eigene Karriere vorantreiben zu können.

Dieser Wandel ist erstaunlich und alle Erklärungsversuche sind nicht plausibel. Fest steht allerdings, dass Caesar von nun an jedes Mittel recht war, das seinen gesellschaftlichen Aufstieg unterstützte. Er heiratete vorteilhaft (Pompeia, eine Enkelin Sullas), wodurch er sich die Unterstützung der Optimaten zu sichern hoffte, trotz seines Auftrittes aus dem Jahre 69. Das gelang vorerst auch, denn auch wenn keiner der Optimaten Caesar wohl recht über den Weg traute, so legten sie ihm bei seinem weiteren Aufstieg zumindest keine Steine in den Weg. Um eine Liebesheirat hat es sich sicherlich nicht gehandelt, davon zeugen seine vielfältigen Affären und Liebschaften und die rasch vollzogene Scheidung nach dem Bona-Dea Skandal. Um seine Karriere zu befördern umgab sich Caesar mit allerlei zwielichtigen Gesellen. Er feierte berüchtigte Orgien und empfing Abschaum, Speichelecker und politische Trittbrettfahrer, mit denen er gemeinsame Sache machte. Er bediente sie und machte sie sich zu Diensten, um sie später für sich selbst auszunutzen. Diese Art der Politik brachte ihm die Verachtung der Optimaten ein, im Gegenzug aber die Bewunderung des einfachen Volkes und der Popularen, an deren politischer Ausrichtung er sich orientierte.

Um seinen Ruhm beim einfachen Volk zu steigern, veranstaltete er als Ädil aufwendige Fechterspiele, wofür er sich in gewaltige Schulden stürzte. Er verstand es, sich als schillernde Persönlichkeit und Strahlemann in der Öffentlichkeit zu präsentierte, während sein Amtskollege und Mitorganisator in seinem Schatten stand. Caesar war ein Meister der Psychologie und der Public Relation.


In Rom, das von den Brüdern Romulus und Remus gegründet worden war, führte Caesar einen aufwendigen Lebensstil.
Die gesamten 60er Jahre sind geprägt von Caesars popularen Agitationen (Beteiligung an Prozessen gegen Sullaner, Forderungen nach der Aufhebung der Proskriptionen,…), ebenso wie von seinem verschwenderischen Lebenswandel, durch den er sich andere zu Diensten zu machen hoffte. An den politischen Abgrund brachte ihn die Catilina Affäre: Er wurde beschuldigt, an der Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, zusammen mit seinem Gönner Crassus. Die Vorwürfe waren offenbar berechtigt, auch wenn sich Caesar und Crassus zurückzogen, als sie sich der Radikalität des Catilina (und gleichzeitig seiner Chancenlosigkeit) bewusst wurden. Bei der Verurteilung der Catilinarier im Senat (5.12.63) stellte Caesar ein weitere Eigenschaft unter Beweis: Seinen persönlichen Mut. Anders als Crassus blieb Caesar der für ihn durchaus gefährlichen und kompromittierenden Sitzung nicht fern und sprach sich sogar als einziger gegen eine Hinrichtung der Verschwörer aus. Sein Vorschlag wurde zwar abgelehnt, doch seine Standhaftigkeit brachte ihm die Achtung des Senats und den Jubel des Volkes. Caesar war in seiner Politik alles andere als verlässlich und konnte ebenso schnell wie andere sein Fähnchen nach dem Wind drehen; dennoch hatte er ein außerordentlich gutes Gespür dafür, wann Prinzipientreue angebrachter war. Das muss eine seiner herausragendsten Eigenschaften gewesen sein.

Im Jahr darauf war Caesar Prätor in Spanien. Es war sicherlich gut für ihn, aus Rom verschwinden zu können, auch wenn er erst abreisen konnte, nachdem der reiche Crassus bei seinen Gläubigern gebürgt hatte. In Spanien zeigte Caesar einen weiteren Charakterzug, der ihm an die Spitzenposition bringen sollte: Das hemmungslose Wüten im Ausland, um seine eigene Karriere zu fördern. Mit kalter Berechnung stürzte sich Caesar in unbegründete Kriege mit kelt-iberischen Regionalstämmen, die er in militärisch perfekt organisierten Vorstößen niederwarf. Mit der gemachten Beute sanierte er seine maroden Finanzen, mit dem erlangten Kriegsruhm mehrte er seine Bewunderung in Rom. Nach seinen erfolgreichen Kriegszügen wurde ihm sogar ein Triumphzug zugestanden (in seinen Kriegszügen hatte er die erforderlichen 5.000 Toten aufweisen können), den seine optimatischen Gegner, allen voran Cato, zähneknirschend hinnahmen. Dennoch fanden sie schließlich ein Mittel, Caesars Triumph zu vereiteln, da dieser sich termingerecht um das Konsulat bewerben musste, Rom aber während dieser Frist nicht als Prätor mit einem Triumphzug betreten durfte. Caesar verzichtete auf den Triumph, erhielt dafür allerdings das Konsulat für 59.

Der Konsul Caesar war vielleicht der politisch aktivste Caesar. So brachte er allerlei Gesetze auf den Weg, die allesamt der Machtbeschneidung des Senats und der Optimaten dienten, ebenso wie er Ackergesetze verabschiedete, die seine populare Klientel befriedigen sollten. Zu dieser Zeit war Caesar im Senat verpönt, dennoch konnte er erfolgreich agieren, denn er hatte ein mächtiges Bündnis ins Leben gerufen. Der politische Zukunftsträger Roms hatte sich mit dem erfolgreichen Pompeius und dem reichen Crassus zusammengetan, die ihm jetzt im Senat die nötige Deckung gaben. Wie Caesar das Triumvirat der Erzfeinde Crassus und Pompeius zustandebrachte, bleibt ein Rätsel. Offenbar wusste jeder der Beteiligten, dass er gegen den Widerstand des anderen nichts erreichen konnte. Es handelte sich um eine Zweckgemeinschaft, die jedoch nur dank Caesar zustande gekommen war und auch unter seiner Leitung stand. Außerdem brauchten beide den Konsul Caesar: dieser setzte für Pompeius die Landversorgung seiner Soldaten durch, die ihm der Senat bis jetzt verweigert hatte, und für Crassus eine Neuordnung der Pachtverhältnisse in Kleinasien, was die römischen Ritter schon lange von ihrem Patron gefordert hatten.

Nach diversen politischen Winkelzügen der drei hatte Caesar schließlich Oberitalien, Illyrien und die gallische Provinz Narbonensis für sein Prokonsulat erhalten. 58 reiste Caesar rasch aus Rom ab: Er fürchtete eine auf ihn zukommende Prozesswelle, denn bei vielen seiner Gesetze, die er als Konsul verabschiedet hatte, war der Senat übergangen worden – dieser hatte auch nicht im geringsten mit ihm kooperieren wollen. Die Optimaten warteten nur darauf, dass Caesar seine Amtsimmunität verlor und angeklagt werden konnte.

Gallien war Caesars Sprungbrett zur Macht: Er wusste, dass er in Rom politisch erledigt wäre, wenn er keine vorzeigbaren Erfolge in der ihm zugewiesenen Provinz erringen würde (s.o.). So suchte und fand er den Krieg, nicht etwa, weil die Kelten ihn sonderlich provoziert hätten, sondern weil er selbst nicht das geringste Interesse an Frieden hatte. Dazu bot sich ihm die Möglichkeit, widerrechtlich Legionen aufzustellen, die quasi seine Privatarmee wurden und seinen späteren Einfall in Italien erst möglich machten.

Den Krieg gegen die Kelten und Germanen (Ariovist) führte Caesar mit aller gebotenen Härte und außerordentlicher Gerissenheit, die schon an Perfidität grenzte. Er nutzte Verbündete hemmungslos als Vorwand, Krieg gegen Stämme zu führen, die sich nur gegen ihn verteidigen wollten. Friedensbereite Wanderstämme diffamierte er grundlos zu aggressiven Eroberern und machte auch vor dem von ihm selbst zum „Freund des römischen Volkes“ ernannten Germanen Ariovist nicht halt. Gnade konnten Kelten und Germanen nicht von ihm erwarten. Vielmehr war ihm jedes Mittel recht, Widerstand zu brechen, und er scheute sich nicht, Exempel an hilflosen Stämmen, deren Führer er zuvor gefangengenommen hatte, zu statuieren.

Bei eine Beurteilung seiner Kriegsführung muss man allerdings bedenken, dass Caesar als Kind seiner Zeit, die über 2000 Jahre zurückliegt, handelte. Die Art seiner Kriegsführung war allgemein üblich, er tat nicht mehr und nicht weniger, als die meisten Feldherren seiner Epoche getan hätten. So war auch dem Mithridates von Pontos in seinen drei Kriegen gegen Rom jede Bluttat recht, um den Krieg zu gewinnen (Vesper/ Blutnacht von Ephesos). Zwar können wir aus unserer heutigen Sicht heraus diese Art der Kriegsführung verurteilen, nicht aber Caesar als Person, die dem Zeitgeist entsprechend agierte.

Oft strich Caesar den Präventivcharakter seiner Kriegszüge gegen die Keltenstämme hervor. Gegner können nicht oft genug betonen, dass es schon über Jahrzehnte ruhig geblieben war in Gallien, wo kein sich Stamm mit den Römern anlegen wollte und man sich lieber untereinander die Köpfe einschlug. Auch als Caesar 58 in Gallien eintraf, gab es kein Volk, das aggressiv in römisches Gebiet eingedrungen wäre, weshalb Caesar seine Kämpfe mit den Helvetiern provozieren musste. Dennoch steht es unweigerlich fest, dass die Kelten ein kriegerisches, beutegieriges Volk waren. Ob man wirklich davon ausgehen kann, dass die Kelten auch ohne Caesars Kriege nie wieder eine Bedrohung für Rom gewesen wären? Wohl kaum. Es wäre eine Frage der Zeit gewesen (Jahrzehnte, vielleicht auch Jahrhunderte), bis die Kelten wegen Übervölkerung oder Beutegier in Italien oder anderen römischen Provinzen eingefallen wären (was wiederum vom Zeitgeist her ein völlig normaler Vorgang gewesen wäre). Als Beispiel hierfür mögen die Germanen dienen: Eine Eroberung Germaniens gelang Augustus (Nachfolger Caesars) nicht, weshalb er nur die Rheingrenze befestigte. Zwei Jahrhunderte später begannen die ersten ernsthaften Germaneneinfälle, bis sie schließlich im 5. und 6. Jahrhundert unter dem Druck der Hunnen in ganz Europa einfielen und schließlich das Weströmische Reich zerstörten.

Caesars Wüten in Gallien war ebenso gewaltig wie sein Gewinn: Über eine Million Tote mag Gallien erlitten haben (Gesamtbevölkerung zwischen 3-8 Millionen). Etliche Hunderttausende hatte Caesar in die Sklaverei verkauft, was ihn, ebenso wie die große Beute, zu einem reichen Mann machte. Aber auch ein weiteres Faktum ist erstaunlich: In Caesars Persönlichkeit vollzog sich ein tiefgreifender Wandel. Aus dem Lebemann, dem immer der Ruf der Dekadenz angehangen hatte, der jede Sinneslust genossen und viele Affären gehabt hatte, wurde ein eiserner Kriegsherr. Bei seinen Eil- und Gewaltmärschen, die seine Gegner oft überraschten und Garant für seinen Erfolg waren, verhielt er sich gegenüber seinen Soldaten ebenso unerbittlich wie gegenüber sich selbst. Er schonte seinen Körper genauso wenig wie den seiner Legionäre, teilte mit ihnen Nahrung und Schlafplatz. Die Gewohnheit des raschen und aggressiven Handelns bei seinen militärischen Unternehmungen legte Caesar nie wieder ab, was sich auch in seiner Politik widerspiegelte. Ebenso wie er die neuen Gewohnheiten eines eisernen Feldherren verinnerlicht hatte, begann er das Leben in Rom zu verabscheuen. Nach Möglichkeit mied er Rom und in den restlichen vierzehn Jahren seines Lebens hielt er sich kaum länger als 15 Monate in Rom auf. Militärisch stellte Caesar unter Beweis, dass er ein überaus talentierter General war. Die Kelten waren großartige Krieger, auch wenn es ihnen an Ausbildung und Ausrüstung fehlte. Vor allem aber mangelte es ihnen am Willen zum Zusammenhalt, und Caesar kam erst dann in ernsthafte Bedrängnis, als der gallischen Freiheitskampfer Vercingetorix eine übergreifende Koalition zustande brachte. Auch dieser Gefahr begegnete Caesar erfolgreich. Trotz seiner ersten schweren Niederlage bei Gergovia steckte er nicht auf, sondern kämpfte im Gegenteil umso verbissener weiter, so wie er überhaupt seine größten Fähigkeiten entwickelte, wenn er mit dem Rücken zur Wand stand. Er schloss die frisch gebackenen Sieger in Alesia ein, widerstand einer gewaltigen keltischen Armee, die Vercingetorix entsetzen sollte, und erschuf dabei ein mit einem Kunstwerk vergleichbares  Bollwerk rings um Alesia, das innere zur Belagerung des Vercingetorix, das äußere zur Abwehr der anrückenden Kelten. Caesar überstand die prekäre Situation, nahm Vercingetorix nach dessen Kapitulation gefangen und hatte später ein leichtes Spiel bei der Befriedung Galliens.

Trotz der heftigen und kraftraubenden Kämpfe trat Caesar gestärkt aus dem gallischen Krieg hervor, was bitter nötig war, denn ein Bürgerkrieg war unvermeidlich. Crassus war im Krieg gegen die Parther gefallen, Pompeius mittlerweile von Caesar abgefallen und auf die Seite der Optimaten übergetreten, um seine Ansprüche gegen den übermächtig werdenden Caesar durchsetzen zu können. Gegner Caesars bezweifeln, dass er den Bürgerkrieg wirklich vermeiden wollte (was seine optimatischen Gegner allerdings mindestens ebenso wenig wollten). Es fällt dennoch auf, dass Caesar viele Friedensinitiativen vor den Senat brachte, sowohl mitten im Bürgerkrieg als auch schon davor. Den Bürgerkrieg selbst führte er offensichtlich ungern, er konnte nicht oft genug betonen, dass er von seinen Feinden dazu getrieben wurde. Die Wahrheit lässt sich schwer feststellen, für Caesar spricht allerdings seine Milde gegenüber den Feinden. Optimaten oder Gegner, die er im Jahre 49 bei seiner ersten Rückkehr nach Rom seit Beginn des Gallischen Krieges (58) noch antraf und die nicht mit Pompeius nach Griechenland geflohen waren, verschonte er, gewährte ihnen sogar jede Art von Vergebung. Die üblichen Proskriptionen und der Terror, mit dem Marius, Cinna und vor allem Sulla gewütet hatten, blieben – beinahe unüblicherweise – aus. Ob nun politisches Kalkül oder tatsächlich persönliche Überzeugung, dank seiner Milde ging Caesar nicht als Mordbrenner wie Sulla oder Marius in die Geschichte ein, sondern seine Schandtaten wurden durch die Milde ausgeglichen. Selbst persönlichen Verrat konnte und wollte Caesar nicht bestrafen: Sein langjähriger Freund und fähigster Unterfeldherr Labienus lief zu Beginn des Bürgerkrieges zu Pompeius über. Statt den Verräter wutentbrannt zu verfluchen, sandte ihm Caesar sogar sein Gepäck hinterher, was dieser in der Eile des Aufbruchs zurückgelassen hatte. Der Verrat des Labienus ist für Caesar-Gegner ein gefundenes Fressen: Wenn selbst solch ein treuer Spießgeselle von dem Eroberer abfiel, war das dann nicht Beweis genug für dessen unlauteren Motive im Bürgerkrieg? Tatsächlich ist es aber unbekannt, weshalb Labienus zu Pompeius überlief und zum erbitterten Gegner Caesars wurde. In jener Zeit hatten schon größere als er bewiesen, dass jeder Mensch seinen Preis hatte. Außerdem deutet die Verbissenheit, mit der er Caesar von nun an bekämpfte, auf weitere Beweggründe des Labienus hin: Könnte es nicht sein, dass er wegen der Erfolge Caesars in Gallien, die er mit errang, deren Ruhm allerdings Caesar allein einsteckte, großen Neid empfand?

Wie auch immer, Caesar bewies im Bürgerkrieg erneut seine außerordentliche geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, die ihn über seine Zeitgenossen erhob und die uns anhand der bekannten Daten über seine Person erstaunt. Caesar war alles andere als robust; Statuen und Abbildungen weisen ihn eher als dünnen, drahtigen Mann aus, dessen Sensibilität der Krieg verdrängt hatte. Er litt offenbar unter Epilepsie, die ihn in häufigen Anfällen niederwarf und die unglaublichen Anstrengungen seiner Kriegszüge ließen ihn vor der Zeit altern. Innerhalb weniger Wochen zog Caesar nach Spanien, wo er die dortigen Pompeianer zur kampflosen Übergabe zwang, und von Spanien über Italien nach Griechenland, wo er gegen Pompeius kämpfte. In der 11-tägigen Diktatur in Rom vor seinem Aufbruch nach Griechenland initiierte er nebenbei viele wesentliche Gesetze und Regelungen, die von seinen Gegnern als zu undeutlich kritisiert und von seinen Befürwortern wegen ihres offensichtlichen Charakters zur Staatskonsolidierung gewürdigt werden. In Griechenland stellte Caesar seine militärischen Fähigkeiten erneut unter Beweis, denn diesmal trat er nicht gegen wilde, aber unausgerüstete und unausgebildete Krieger an, sondern gegen reguläre römische Legionen, die im Gegensatz zu seinen eigenen Truppen gut versorgt wurden. Sein Gegner war kein kopfloser Barbarenhäuptling, sondern Pompeius, einer der anerkannt fähigsten Heerführer, den die römische Nation je hervorgebracht hatte. Er reihte sich nahtlos in die Reihe von Marius und Sulla ein, war er es doch gewesen, der die kilikischen Seeräuber vernichtet und Mithridates endgültig besiegt hatte.

Caesar bewies erneut seine erstaunliche Zähigkeit und seinen Willen, denn nachdem er vor Dyrrhachion besiegt worden war (schon dort müssen seine Verbände denen des Pompeius unterlegen gewesen sein), siegte er doch in der Schlacht von Pharsalos. Pompeius floh und fand sein unrühmliches Ende in Ägypten. Caesar lieferte einen erneuten Beweis seiner Milde: Die Briefe und Korrespondenzen der Pompeianer, die er im zur Siegesfeier hergerichteten Kommandozelt des Pompeius vorfand, verbrannte er, ohne sie gelesen zu haben. Senatoren und Optimaten, die sich ergeben hatten, begnadigte er und nahm sie sogar bei sich auf, so zum Beispiel den Brutus, der ihn später ermorden sollte. Er befahl seinen Soldaten, dessen Leben auf jeden Fall zu schonen.

Von jetzt an hastete Caesar durch die bekannte Welt und stellte sich jedem Konflikt, der sich anbot, wobei sich durchaus der Verdacht aufdrängt, dass er alles tat, um der Hauptstadt fernzubleiben. So zum Beispiel die Alexandrinische Episode, in die er durch eigenes Verschulden hineinschlitterte und die schließlich in einem blutigen Gemetzel endete. Hier lernte er auch Kleopatra kennen, die ihm nach einer kurzen und heftigen Affäre einen Sohn gebar. Tage vor dessen Geburt floh Caesar nach Syrien und Kleinasien, um bei Zela (2.8.47) den Pharnakes zu besiegen. Er kehrte schließlich nach Rom zurück, gab dort in wenigen Monaten so viele Reformen, Gesetze und Regelungen in Auftrag, dass es schwer fällt, den Überblick zu behalten, und brach dann nach Afrika auf, um die dorthin geflohenen Optimaten zu bekämpfen. Zuerst musste er jedoch eine Meuterei der unzufriedenen Soldaten beenden, die nach den langen Kriegen in Gallien, den Kriegszügen nach Spanien und Griechenland und den Kämpfen in Alexandria und bei Zela endlich zur Ruhe kommen wollten. Schon vorher, einmal in Gallien und einmal vor dem Aufbruch nach Griechenland, war gegen ihn gemeutert worden. Ebenso wie damals trat er persönlich vor die aufrührerischen Soldaten, nur begleitet von wenigen Vertrauten. Er überredete sie gekonnt, wobei seine persönliche Enttäuschung über die Meuterer als schärfste Waffe benutzte. Bei der Behandlung der Rädelsführer war er pragmatisch: sie wurden im kommenden Krieg bei „Himmelfahrtkommandos“ eingesetzt.

Caesar siegte bei Thapsos in Afrika, nahm Utica ein, woraufhin Cato Selbstmord beging. Das war sein letzter Sieg über Caesar, denn nie hatte letzterer gegen Cato im Senat oder im Felde obsiegt, wie der von seinen Partnern im Stich gelassene Cato feststellte.

Caesar kehrte nach Rom zurück, und die Zeit seiner maßlosen Ehrungen begann. Allein vierzig Tage dauerte sein Triumphfest über Gallien, Alexandria, Kleinasien und Afrika. Der Senat überhäufte ihn mit Ehrungen, Auszeichnungen und Titeln, die Caesar selbstgefällig annahm. Dass weniger manchmal mehr sein konnte, erkannte er nicht mehr oder erst, als es zu spät war. Kaum, dass er einige Monate in Rom geblieben war, brach er schon wieder nach Spanien auf, wohin sich die Pompeiussöhne und Labienus geflüchtet hatten, um den letzten Widerstand gegen Caesar zu organisieren. In alt bekannter Form besiegte Caesar seine Gegner in der Entscheidungsschlacht bei Munda am 17.3. 45, ein Jahr vor seinem Tod. Blutig räumte er den letzten optimatischen Widerstand aus und gewährte dieses Mal, als er unanfechtbar an der Spitze Roms stand, wenig von seiner altbekannten Milde.

Gemächlich kehrte er nach Rom zurück. In seinen letzten Monaten wirken seine politischen Entscheidungen oftmals unglücklich und ließen nur wenig von seiner sonstigen Weisheit und Weitblick erkennen. So legte er beispielsweise sein Konsulat nieder, um es an Freunde und Gesellen aufzuteilen, die ihm zu Diensten gewesen waren. Dies brachte ihm Hohn und Spott sowohl im Senat als auch im Volke ein und offenbart noch einen weiteren Mangel in Caesars Regierung: Da er die politische Elite der Optimaten entweder selbst umgebracht hatte oder sie sich weigerte, mit ihm zu kooperieren, musste sich Caesar mit dem Mittelmass oder Trittbrettfahrern und Speichelleckern zufrieden geben. Kaum einer von ihnen hatte auch nur ansatzweise sein politisches Format oder Geschick, was ein Antonius oder ein Lepidus häufig unter Beweis stellten. Einzig der Großneffe Oktavian, der sich später Augustus nannte, war fähig, sein Erbe anzutreten. Seinen Aufstieg erlebte Caesar aber nicht mehr.

In Rom selbst plante Caesar gewaltiges auf staatsrechtlicher wie auch auf militärischer oder baulicher Ebene. Ob er diese Pläne ernsthaft erfüllen wollte oder konnte, stellen Gegner in Frage. Es ist wahrscheinlich, dass es höchstens mit dem Einsatz seiner eigenen Persönlichkeit möglich gewesen wäre, die gigantischen Projekte zu verwirklichen. Ohne ihn wurden die Projekte aufgegeben.

Sein Tod bleibt ebenso ein Rätsel, denn letzten Endes wäre er absolut vermeidbar gewesen. In den letzten Wochen vor seiner Ermordung mehrten sich die Anzeichen für eine Verschwörung. Während Caesar einen gewaltigen Kriegszug gegen die Parther plante, erhielt er mehrere Warnungen vor einem drohenden Komplott, das sich aufgrund der Machtanhäufung Caesars und seiner unverhältnismäßigen Ehrungen bildete. Caesar, gefangen in seinen Plänen von der Welteroberung, ignorierte alle Warnungen und Zeichen und schlug sogar das Angebot eine Leibwache, bestehend aus Senatoren und Rittern, zu installieren aus. Er konnte nicht glauben, dass die Römer, die ihm soviel zu verdanken hatten, es tatsächlich wagen könnten, Hand an ihn zu legen. Ab Februar, als er erkennen musste, dass der Griff zur Königskrone – den er sich wohl tatsächlich wünschte – weder vom Volk noch von der Nobilität akzeptiert worden wäre, verfiel er in eine gewisse Schwermut. Völlig unsensibilisiert nahm er Ehrungen und Fußfälle hin, wies keinerlei Gespür für Diplomatie und Verhältnismäßigkeit mehr auf. Selbst am Tage seiner Ermordung wurde er auf die bevorstehende Katastrophe hingewiesen, sowohl von seiner Frau Calpurnia als auch von Sehern. Dennoch nahm er trotz Übelkeit an der fatalen Senatssitzung teil, immer noch auf eine Leibwache verzichtend.

Warum Caesar so blind in seine Ermordung lief, wird von vielen Autoren eher schlecht als recht beantwortet. Cicero sagte später zu der Ermordung, sie wäre unnötig gewesen, da Caesar sowieso nicht von seinem gigantischen Partherfeldzug zurückgekehrt wäre, weil er nicht zurückkehren wollte. Hatte er erkannt, dass er politisch gescheitert war? Glaubte er sich in einer Sackgasse zu befinden, aus der es kein Entrinnen gab? Deshalb der ebenso gefahrvolle wie unnötige Kriegszug?

Die mutigste Theorie dazu kommt aus einem Fernsehspiel aus den 60er Jahren, eine Theorie, die aufgrund ihrer Abwegigkeit meist als interessantes, aber unrealistisches Gedankenspiel verworfen wurde. Doch gerade diese Abwegigkeit könnte seine wirkliche Größe darstellen, denn warum wurde Caesar eigentlich zur größten Persönlichkeit der Antike hochstilisiert? Was ist es, was ihn um so vieles bedeutender macht, als Hannibal, Themistokles oder Alexander? Obwohl wir es aus seinen Lebensdaten nicht unbedingt erkennen können, muss ihn etwas Besonderes umgeben haben, etwas, was die Menschen um ihn entweder in seinen Bann schlug oder abgrundtiefen Hass hervorrief, ebenso wie seine späteren Beurteilungen ausfielen. Sein Größe ist heute kaum mehr fassbar, sie kann sogar bei starker Durchleuchtung auf ein Minimum reduziert werden: So kommt beispielsweise Caesar-Biograph und Gegner Wolfgang Will in einem Resümee zu der Ansicht:

„Caesar war ein Beamter einer untergehenden Republik, wahrscheinlich ihr fähigster, aber mehr nicht“

Das ist eine völlig zulässige Beurteilung. Dennoch, irgendetwas ganz Besonderes muss es an Caesar gegeben haben, etwas, was nur Zeitgenossen und direkte Nachfolger und Nachkommen wirklich erfassen konnten, das ist jedenfalls mein Eindruck bei der Sichtung von Caesar-Materialien.

Nun aber zu der mutigsten, aber gerade deshalb vielleicht wahrscheinlichsten Möglichkeit, denn sie würde vielleicht Caesars Größe, seinen Weitblick, seine Intelligenz und Brillanz am deutlichsten zeigen.


Ein traurig blickender Caesar, ausgelaugt von den vielen Kriegszügen und Schlachten und dem Widerstand gegen seine Politik. 
Wäre es nicht möglich, dass er um die Verschwörung wusste? Rechnete er nicht vielleicht sogar mit seiner Ermordung, oder war er sich ihrer vielleicht sogar vollauf bewusst, als er den Senat am 15.3.44 betrat? Es war wohl tatsächlich schwer, alle Anzeichen zu ignorieren. Drei Tage später hätte Caesar zu einem Wahnsinns-Unternehmen aufbrechen wollen, dem Partherfeldzug. Dennoch war er schon zu diesem Zeitpunkt vorzeitig gealtert, seine anderen Kriegszüge, bei denen er sich nicht geschont hatte und sogar in der ersten Reihe Schlachten gewann, hatten ihn ausgelaugt und altern lassen. Er wirkte so müde, dass Cicero nicht glauben konnte, er wolle dieses Unternehmen tatsächlich zu Ende führen und nach Rom lebend zurückkehren. Ebenso war sich Caesar vielleicht darüber klar, dass seine politische Entwicklung eine Art toten Punkt erreicht hatte, denn den Königstitel hätte er nur gegen den Willen des Volkes erlangen können, ganz zu schweigen von der Oberschicht. Die Aufgaben, die vor ihm standen, waren weitaus gewaltiger als die, die er bewältigt hatte, denn er musste einen völlig neuen Staat schaffen. Wählte er nicht vielleicht nur den einfachsten Ausweg, als er die Curie des Pompeius betrat und damit unerreichte geschichtliche Größe erlangte? Was ist es, was ihn letztlich zum Größten aller Sterblichen machte? War es tatsächlich sein Lebenswerk, seine Schlachten oder seine Politik? Oder nicht vielleicht vielmehr die gemeinsam vollzogene Ermordung durch seine Freunde und Mitsenatoren, ein so tragischer Mord, dass Shakespeare der Tat ein Drama widmete? Der große Caesar, auf dem Höhepunkt seiner Macht zu Fall gebracht durch den Neid von Kleingeistern und dadurch abgehalten von seinen größten Taten. Das ist es, was Pompeius und Sulla fehlt und ein Alexander nur bedingt aufweisen kann, denn letzterer wurde von der eigenen Trunksucht zu Fall gebracht und nicht durch den brutalen und geschichtlich berühmtesten Mord.