November 24, 2024

5. Caesars langsamer Aufstieg in der römischen Hirarchie und die Verschwörung des Catilina.


Was Caesar während des Spartakusaufstandes tat, ist nicht bekannt. Der Mangel an Informationen über ihn aus dieser Zeit lässt darauf schließen, dass er sich an militärischen Aktionen gegen das Sklavenheer nicht beteiligte, obwohl er offenbar einer der gewählten Militärtribunen war. Vielleicht gehörte er zu jenen römischen Nobiles, die sich in dem Sklavenkrieg nicht die Finger schmutzig machen wollten und sich nicht genug Ruhm aus dem Kampf ausrechneten.

Als Caesar im Jahre 75 aus Kleinasien zurückkehrte, wurde er jedenfalls nach dem Tod seines Verwandten C. Aurelius Cotta in das Kollegium der Zeuspriester, als pontifex, gewählt, offenbar ohne jeglichen optimatischen Widerstand. Dieses Amt war wesentlich ehrenvoller als die Position eines flamen dialis, die Caesar schon in jungen Jahren erreicht hatte, allerdings nicht ausfüllen konnte, da er von Sulla geächtet wurde. Ein pontifex war mit ungleich mehr Macht ausgestattet, außerdem wurde ihm eine weitere Ämter- und Militärlaufbahn nicht untersagt – ganz im Gegenteil.

Im Zeustempel wurde Caesar oberster Priester.
Die folgenden Jahre, bis in die frühen fünfziger, sind Caesars politisch aktivsten Jahre in der Hauptstadt selbst, die er nach seiner Abreise nach Gallien 58 bis zu seinem Tod 44 nur noch für wenige Monate sehen würde. Caesar gab illustre Gesellschaften, sein charismatisches und anziehendes Wesen lockte allerlei zwielichtige Personen in seinen Haushalt, die er ohne Vorbehalte empfing, um sie für seine Pläne zu nutzen. Er gab reichhaltige Feste und erlangte eine etwas zweideutige Berühmtheit in Rom, was seine Beliebtheit beim Volk allerdings nur zu steigern vermochte. Cassius Dio, ein Chronist, schrieb:

„Niemand gab sich schneller dazu her, den am wenigsten angesehenen Männern den Hof zu machen und zu schmeicheln. Er schreckte vor keiner Rede und keinem Schritt zurück, die ihn dem Ziel seines Ehrgeizes näher bringen konnten. Es störte ihn wenig, sich im Augenblicke zu erniedrigen, wenn diese Erniedrigung dazu diente, ihn später mächtig zu machen: Er war also bestrebt, sich jene geneigt zu machen, die er in seine Abhängigkeit zu bringen hoffte.

Nun ja, der Zweck heiligt die Mittel, und wenn wir Caesars spätere Macht sehen, können wir ermessen, wie erfolgreich seine Schmeicheleien in diesen Jahren waren. Zur wahren „Größe“ eines Mannes scheinen auch immer seine dunklen Abgründe zu gehören.

Wie auch immer, 74 weilte Caesar vielleicht noch einmal kurze Zeit in Kilikien, um dem vom Senat ernannten Prätor Marcus Antonius seine Erfahrungen über die Seeräuber weiterzugeben, bevor er dann vorerst in Rom blieb. 73, dem Anfangsjahr des Spartakusaufstandes, wurde Caesar zum Militärtribun gewählt. Er war damit einer von vierundzwanzig Unterkommandierenden, die nur wenig Geltung hatten. Erwähnenswert war sein Amt nur deshalb, weil er es angeblich mit der Unterstützung des Volkes erlangt hatte. Im Spartakuskrieg übernahm er wahrscheinlich untergeordnete militärische Aufgaben. Seine politische Laufbahn trieb er wohl erst nach Beendigung des Kampfes durch Crassus, ca. um das Jahr 70, voran.

Eben jener Crassus und der aus Spanien zurückgekehrte erfolgreiche Pompeius nahmen nun das politische Geschick Roms in die Hand. Sie kandidierten 71 gemeinsam für das Konsulat 70 (Pompeius war laut Sullas Reformen sogar noch zu jung dazu), wobei sie aufeinander angewiesen waren. Es war wohl kaum Freundschaft, die die beiden verband, eher waren sie jeweils auf ihre eigene Weise die mächtigsten Männer Roms (Pompeius der beliebteste, Crassus der reichste) und der eine konnte ohne den anderen die Kandidatur nicht wagen. Dem Senat war die Vorstellung dieser Machtzusammenballung allerdings mehr als zuwider, denn nichts fürchtete man mehr als eine Änderung der bestehenden Verhältnisse. Deshalb mussten sich Pompeius und Crassus den Popularen zuwenden, trotz ihres Einsatzes für die Optimaten im sullanischen Bürgerkrieg. Doch sobald sie von ihren einstigen Unterstützern verlassen worden waren, biederten sie sich beim Nächstbesten an, um ihre persönliche Macht auszubauen. Der Senat wird ihren Antritt zum Konsulat 70 zähneknirschend hingenommen haben, da die Heere der beiden vor den Toren Roms lagerten.

Pompeius und Crassus gingen nun frisch ans Werk, ihrem neuen Wählerpotential zu gefallen. Sie stellten durch einen gemeinsamen Gesetzesvorschlag die Rechte des Volkstribunats (seit Sulla fast komplett entmachtet) wieder her. Auch Cicero, der angeblich begnadetste Redner Roms, um dessen Freundschaft Caesar vergeblich buhlte, hatte einen großen Auftritt gegen Verres, den optimatischen Proprätor Siziliens – einer von Sullas Erfüllungsgehilfen -, den er wegen schamloser Ausbeutung seiner Provinz anklagte und der daraufhin ins Exil ging. Zwei Zensoren des Jahres 70 schlossen 64 Senatoren aus dem Senat aus, die sich der Korruption schuldig gemacht hatten. Nach all diesen Aktionen war klar, das die Reformen Sullas, zehn Jahre nach ihrer Einführung, praktisch ausgesetzt waren und die Situation der präsullanischen Republik wiederhergestellt war.

Im Jahre 69 wurde Caesar endlich in seine erste Magistratur, in ein Amt des cursus honorum gewählt. Er wurde einer von zwanzig Quästoren, bevorzugt besetzt durch talentierte junge Adlige, die hauptsächlich mit der Verwaltung von Finanzen jeder Art beschäftigt waren. Doch es waren zwei andere Anlässe eigentlich eher trauriger Art, die Caesar Gelegenheit für einen großen öffentlichen Auftritt boten: erst der Tod seiner Tante Julia (die Witwe des Marius) und dann der frühe Tod seiner Frau Cornelia. Beim Leichenzug seiner Tante ließ er öffentlich Bilder des seit Sullas Restauration verpönten Marius herumtragen, was den Optimaten sicherlich Missvergnügen bereitete, das Volk aber, das seinen Helden Marius nicht vergessen hatte, mit Beifall zur Kenntnis nahm. Für seine Frau sprach Caesar eine unübliche Grabrede, offenbar gespickt mit politischer Propaganda und Großzügigkeiten für das Volk, was ihn erneut umso beliebter machte.

Den Rest seiner Quästur verbrachte er in der Provinz Spanien, wo er als Feldquästor dem Proprätor Antistius Vetius zugeteilt worden war. Von ihm wurde er ausgesandt, die Gerichts- und Kreistage zu besuchen. Außerdem hatte Caesar die Aufsicht über die Kasse. Ansonsten geschah nichts weiter aufregendes in diesem Jahr, doch eine weitere Anekdote ist uns über Caesar überliefert worden: Bei einer Gerichtsverhandlung in Gades (heute Cadiz) besuchte Caesar den Herkulestempel. Sueton (ein Chronist) berichtet:

Beim Anblick des Standbildes Alexanders des Grossen in der Nähe des Herkulestempels musste er laut aufseufzen, und wie angewidert über seine eigene Untätigkeit – hatte er doch in einem Alter, in dem Alexander schon die Welt unterworfen hatte, noch nichts bemerkenswertes geleistet -, forderte er sofort seine Entlassung, um möglichst rasch in Rom Gelegenheit zu größeren Unternehmungen zu erhalten. Er war auch in der vorangegangenen Nacht durch einen Traum beunruhigt worden: ihm hatte nämlich geträumt, er habe seine Mutter vergewaltigt. Die Traumdeuter machten ihm darauf die größten Hoffnungen und behaupteten, das bedeute die Herrschaft über die ganze Welt.

Was diese Geschichte glaubhaft macht, ist, dass Caesar seit Beginn der sechziger Jahre begann, ehrgeizig an seiner Karriere zu basteln. Da allerdings eine Vergewaltigung seiner Mutter wohl kaum in Frage kam, musste er nach anderen Wegen zur Macht suchen. Also reiste er aus Spanien ab und durchquerte bei seiner Rückkehr nach Rom die italische Provinz der transpadanischen Gemeinden. Angeblich soll Caesar hier einen Aufstand vorbereitet haben, vereitelt durch die vorsichtige Stationierung zweier eigentlich für Kilikien bestimmter Legionen in Italien durch den Senat. Auch wenn Caesar nach seinem Gallischen Krieg tatsächlich eine solche Revolution beginnt, so ist dieser Plan für seine jüngeren Jahre doch unwahrscheinlich und wird von den meisten Biographen angezweifelt. Es handelt sich wohl erneut um den Versuch antiker Chronisten, die spätere Größe auch in die Jugend und frühen Mannesjahre des größten Römers zu projizieren. Nicht erfunden aber ist Caesars Eintreten für das Bürgerrecht der Transpadaner, welches ihnen vom oligarchischem Senat hartnäckig verweigert wurde. Caesar würde es ihnen später eigenhändig verleihen (49), vorläufig erhielt er für sein Engagement wieder einmal die Zuneigung des Volkes.

Zurück in Rom nahm Caesar den ihm als Quästor zustehenden Sitz im Senat ein und heiratete erneut. Dieses Mal zeigte er sich als echter römischer Nobilis, an seinem eigenen Aufstieg und nicht an Idealen interessiert. Die Auserwählte war Pompeia (mit dem Gnaeus Pompeius nicht verwandt), die Tochter des Quintus Pompeius Rufus (Konsul 88, gemeinsam mit Sulla) und die Enkelin Sullas. Als ziemlich gesichert gilt, was bei seiner ersten Ehe mit Cornelia Cinna noch diskutiert wird: Eine Liebesheirat war es nicht. Es lockten ihn wohl die große Mitgift und die optimatischen Verbindungen, wichtig für den jetzigen Senator. Die Ehe war dann wohl auch recht unglücklich, wir hören von allerlei außerehelichen Techtelmechteln Caesars (zum Beispiel mit der Servilia, der Halbschwester Catos und der Mutter des Brutus) und schließlich wird die Ehe nach dem Clodius-Skandal fünf Jahre später aufgelöst. Übrigens soll Caesars Verbindung zu Crassus, den er als Kreditgeber brauchte, über dessen Frau Tertulla geknüpft worden sein.

Im Jahre 67 wurde dann wieder große Politik in Rom gemacht. In der Volksversammlung wurde von Tribun A. Gabinius der Vorschlag eingebracht, dem Pompeius ein außerordentliches Kommando gegen die kilikischen Seeräuber zu übertragen. Der Senat sperrte sich gegen diesen Vorschlag, denn der Pompeius war ohnehin schon viel zu mächtig geworden. Nur Caesar allein soll im Senat für den Antrag gesprochen und gestimmt haben. Wahrscheinlich handelte er nicht darum so, weil er die Gunst des Pompeius erschmeicheln wollte, sondern eher die Gunst des Volkes, das den Antrag seines erklärten Lieblings stürmisch unterstützte. Pompeius, der andere für sich im politischen Vordergrund agieren ließ (Cicero: „Es ist nämlich seine Art, anders zu reden, als er denkt, aber ohne soviel Geist zu besitzen, dass es nicht zum Vorschein käme, was er heimlich wünscht.„) erhielt, was er wünschte, denn die Beschlüsse der Volksversammlung waren seit dem Konsulat von Crassus / Pompeius nicht mehr der direkten Kontrolle des Senates unterworfen: 500 Schiffe, 120.000 Mann Infanterie, 5.000 Reiter, 24 Legaten und 2 außerordentliche Quästoren. Es handelte sich also um ein außerordentliches Imperium von kaum jemals da gewesener Kommandogewalt.

Was Isauricus nur unvollständig schaffte, und woran M. Antonius sogar scheiterte, vollbrachte er in sechs  Wochen. Er fegte über das östliche Mittelmeer und reinigte es von den Seeräubern. Dabei hatte er natürlich ungleich mehr Truppen zur Verfügung – insgesamt ist die Vertreibung der Seeräuber aus logistisch / militärischer Sicht einer der größten Leistungen des Pompeius, Rom war von einer großen Belastung befreit – noch kurz zuvor waren die Umtriebe der Seeräuber darin gegipfelt, dass sie die Rom vorgelagerte Hafenstadt Ostia angegriffen, geplündert, verwüstet und die römischen Beamten dort entführt hatten (!). Dennoch ließ Pompeius die gefangenen Piraten (mehr als 20.000) nicht etwa hinrichten, sondern siedelte sie an den kleinasiatischen Küsten an, ein unübliches Vorgehen gegen ein durch Rom unterworfenes Volk, was in Rom auch sogleich Proteste hervorrief, die Pompeius allerdings weise ignorierte. An Grausamkeiten schien er wohl keinen Gefallen zu finden.

Pompeius kehrte umjubelt nach Rom zurück und landete sogleich seinen nächsten Coup. Der seit 74 ereignisarme Krieg gegen Mithridates hatte wieder einmal eine überraschende Wendung genommen. Seit Kriegsbeginn führte L. Licinius Lucullus das Oberkommando der römischen Truppen. Dieser war recht erfolgreich gewesen und eroberte das von Mithridates besetzte Bithynien. An der pontischen Grenze (Pontos war das Reich des „neuen Dionysius“, wie Mithridates sich nannte) schlug er den Usurpator bei Kyzikos, woraufhin der pontische Herrscher zu seinem Schwiegersohn Tigranes von Armenien floh, nachdem auch seine Flotte bei Tenedos vernichtet wurde. Lucullus widmete sich im weiteren der Sicherung der Grenzen und der Neuordnung der östlichen Provinzen, wo er schnell mit den römischen Steuerpächtern jener Gebiete aneinander geriet, die nicht auf finanzielle Vorteile verzichten wollten. 69 verlangte Lucullus von Tigranes die Auslieferung Mithridates, die dieser verweigerte. Lucullus marschierte in Armenien ein und schlug Tigranes bei Tigranocerta. Bei dieser Schlacht stellte Lucullus im übrigen unter Beweis, dass er zu den fähigsten Militärs gehörte, die Rom je hervorgebracht hatte. Mit nur 2 Legionen, den sogenannten „Fimbrianern“, die einst gegen Sulla nach Griechenland entsendeten worden waren, dann gemeutert hatten und den Hazadeur Fimbria zu ihrem Anführer machten und daraufhin marodierend durch Kleinasien gezogen waren – deswegen war ihnen die Rückkehr nach Rom versagt worden -, traf er auf das Großheer von Tigranes, ca. 150.000 Mann. Als der König die ca. 10.000 Mann der Römer sah, soll er gelacht haben und den Angriff befohlen haben; das Lachen wird ihm vergangen sein, denn seine Truppen erhielten eine ordentliche Abreibung und verstreuten sich alsbald…Tigranes musste um Frieden bitten, Mithridates floh weiter bis auf die Krim-Halbinsel.

Dem erfolgreichen Lucullus (der immerhin den Kirschbaum in Europa einführte) blies nun aber alsbald der Wind mitten ins Gesicht, als die einflussreiche Lobby der kleinasiatischen römischen Steuerpächter damit begann, sich seiner zu entledigen. Schon seit 68 wurden Lucullus seine Provinzen genommen, 67 unterlag einer seiner Legaten dem Mithridates, der wieder ein notdürftiges Heer aufgestellt hatte, bei Zela.

Zu diesem Zeitpunkt erhielt Pompeius das Oberkommando im Mithridatischen Krieg, wieder mit erheblichen Sondervollmachten ausgerüstet. Den Antrag hiefür stellte erneut ein von ihm bezahlter Volkstribun, nämlich C. Manilius (66), und Cicero hielt für den Antrag als Prätor seine erste Staatsrede (auch Caesar soll den Antrag erneut unterstützt haben). Als Lucullus versuchte, den Krieg auf eigene Faust zu beenden, meuterten seine Truppen. Der enttäuschte Lucullus überließ das Feld dem Pompeius und kehrte nach Rom zurück, um seinen lukullischen Genüssen zu frönen.

In der Zeit der Abwesenheit des Pompeius fand wohl die Annäherung Caesars an Crassus statt, die offenbar schon vor dem verbürgten Eintritt des Crassus für Caesars Schulden bei dessen Kandidatur für die Prätur zusammenarbeiteten. Caesar wurde schon 67 zum Aufseher (Kurator) über die Via Appia bestimmt, ein Amt, das für die Instandhaltung der Infrastruktur sorgen hatte. Entstehende Kosten musste der Amtsinhaber allerdings selbst tragen. Ähnlich verhielt es sich mit der Ädilität, die Caesar im Jahre 66 erhielt. Ein Ädil war zuständig für die Aufsicht über die Märkte, Tempel, Strassen, Bordelle, Bäder und Plätze der Hauptstadt. Auch die Wasser- und Lebensmittelversorgung oblag ihnen, ebenso wie die Versorgung des Volkes mit den berüchtigten Zirkusspielen. Letztere belasteten die eigene Tasche am stärksten (wieder musste der Ädil alles selbst bezahlen). Nichtsdestotrotz veranstaltete Caesar großartige Spiele, auch dank der finanziellen Unterstützung seines Mit-Ädilen M. Bibulus, der sich zu der Äußerung:

Ich teile das Schicksal des Pollux; wie man den Dioskurentempel auf dem Forum nur als Castortempel bezeichnet, so schreibt man Caesars Freigiebigkeit Caesar allein zu.

hinreißen ließ. Auf eigene Kosten veranstaltete Caesar dann noch glänzende Gladiatorenspiele zu Ehren seines verstorbenen Vaters, bei denen 320 Gladiatorenpaare in Silberrüstungen gefochten haben sollen. Durch seine Ädilität verschuldete sich Caesar zwar gewaltig, konnte sich allerdings beim Volk dafür sehr beliebt machen, denn die Massen ließen sich durch nichts leichter ködern als mit „Brot und Spielen“. Nahe liegt, dass Caesars legendäre Verschuldung ein planmäßiges Mittel zur Machterweiterung war.

Crassus und Caesar scheinen versucht zu haben, die Politik in Rom aus dem Hintergrund zu lenken. 65 sollen sie angeblich versucht haben, durch ein Plebiszit ein außerordentliches Imperium, frei nach dem Beispiel des Pompeius, zu dem sich Crassus ein Gegengewicht erhoffte, für die Eroberung Ägyptens zu erhalten. Das Vorhaben scheiterte am optimatischen Widerstand im Senat.

Caesar machte auch politisch auf sich aufmerksam, indem er beispielsweise in einer Nacht- und Nebelaktion die restaurierten Siegestrophäen des Marius, einst von Sulla vom Kapitol entfernt, wieder aufstellen ließ, was ihm mal wieder den Jubel des Volkes einbrachte. Nun warf aber in jener Zeit ein Ereignis seinen politischen Schatten voraus, das sich zu einer unrühmlichen Verschwörung entwickeln würde. Im Sommer 66 kehrte Lucius Sergius Catilina von seiner Proprätur aus Afrika zurück und bewarb sich um das Konsulat für 65. Seine Kandidatur wurde allerdings verhindert, da ihm ein Prozess wegen unrechtmäßiger Ausbeutung seiner Provinz ins Haus stand. Zum Konsul gewählt wurden anstatt seiner vorläufig P. Autronius Paetus und P. Cornelius Sulla (ein Neffe des Diktators). Bevor diese beiden jedoch ihr Konsulat antreten konnten, wurden sie der Bestechung angeklagt und suspendiert. Nun wurden L. Aurelius Cotta (verwandt mit Caesar) und L. Manlius Torquatus zu Konsuln. Catilina und die beiden geschassten Möchtegern-Konsuln sollen sich angeblich mit der Situation nicht abgefunden haben, sondern planten einen gewaltsamen Umsturz, der vorsah, die beiden gewählten Konsuln bei Amtsantritt am 1. Januar 65 zu ermorden, um die beiden suspendierten Konsuln doch noch einzusetzen. In die Pläne soll Calpurnius Piso eingeweiht gewesen sein, außerdem Caesar. Im Hintergrund soll angeblich Crassus die Fäden gezogen haben, der krampfhaft versuchte, seine Position gegenüber Pompeius zu verbessern. Die Konsuln aber wurden gewarnt und erschienen am ersten Januar durch Leibwachen geschützt. Auch ein zweiter Versuch scheiterte (5. Februar), da Catilina offenbar seine Spießgesellen nicht zusammentrommeln konnte. Ob zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon umstürzlerische Pläne Catilinas vorlagen, kann bezweifelt werden, die Beteiligung Caesars ist äußerst fraglich (dafür war er noch zu unwichtig, außerdem hätte er wohl kaum der Ermordung seines Verwandten Aurelius Cotta zugestimmt). Nicht viel später wurde Catilina in einem Prozess sogar von Torquatus, den er angeblich hatte ermorden wollen, verteidigt. Dass Crassus, der nach einem gelungenen Umsturz 65 die Diktatur hätte ergreifen sollen und Caesar zum mächtigen Verwalter ausgerufen hätte, wie uns nur der Chronist Sueton berichtet, ist sehr unwahrscheinlich.

Kurz nach seinem Amtsantritt im Dezember 64 stellte Volkstribun Servilius Rullus den Antrag auf ein neues Ackergesetz (lex agraria). Es sah vor, eine Kommission von zehn Männern (decimviri) wählen zu lassen, die in Italien Kolonien für Siedler gründen sollten. Dafür sollten sie große Vollmachten, ähnlich denen eines Prätors, erhalten. Crassus stand wohl hinter Rullus, auch Caesar soll den popularen Vorschlag unterstützt haben und hoffte vielleicht auf eine machtvolle Position in den decimviri. Frei nach den Vorschlägen der Gracchen, allerdings in modifizierter Form (so sollten beispielsweise Landverteilungen an sullanische Veteranen nicht in Frage gestellt werden), sollte freies Staatsland, vor allem in Campanien, durch Verlosung an das Volk in Rom verteilt werden. Das Gesetz scheiterte einmal mehr an dem Widerstand der Optimaten, die nicht an einer Änderung der bestehenden Verhältnisse interessiert waren, und vor allem an der Agitation des Cicero, der 63 das Konsulat bekleidete. Da er als homo novus galt (seine Familie hatte keine glorreichen Ahnen aufzuweisen) und die Unterstützung der Optimaten bitter nötig hatte, wurde er trotz guter Absichten nur zu einem willigen Werkzeug der Nobiles.

Trotz des kurzzeitigen Rückschlages kam Caesars Karriere nun in Gang. Nach dem Tod des bisherigen Pontifex Maximus Quintus Metellus Pius im Frühjahr 63 (er hatte in Spanien gemeinsam mit Pompeius gegen Sertorius gekämpft) stellte sich der siebenunddreißigjährige, im Senat bisher eher ein Hinterbänkler, zur Wahl für das ehrenvolle Amt, für das sich ansonsten nur ältere Ex-Konsuln oder andere verdienstvolle Männer bewarben. Um diese Wahl gewinnen zu können, gab sich Caesar große Mühe, vor allem bei den Popularen Stimmen zu sammeln. Er beteiligte sich an einem Prozess gegen den Optimaten C. Calpurnius Piso, der einen Transpadaner widerrechtlich hatte hinrichten lassen. Er verteidigte einen numidischen Klienten, dessen Verhaftung er dadurch verhinderte, indem er ihn im eigenen Hause verbarg. Als Leiter eines Gerichtshofes wirkte er an der Verurteilung verschiedener Sullaner zum Tode mit und stellte den Antrag, die Söhne der von Sulla Proskribierten wieder zur Ämterlaufbahn zuzulassen. Auch der verdienstvolle Sullaner Senator C. Rabirius wurde angeklagt, im Jahre 100 an der Ermordung des Saturnius teilgenommen zu haben, woran Caesar sich als Richter beteiligte, um Aufsehen zu erregen. Er und sein Mitrichter verurteilten Rabirius zum Tode. Als der Einspruch gegen das Urteil auf der Volksversammlung abgelehnt zu werden drohte, gelang es den Optimaten, die Rabirius durch Cicero verteidigen ließen, durch einen Trick, die Volksversammlung aufzulösen: Eine Fahne, die den Abzug der Wachbataillone und die Auflösung von Versammlungen in Notzeiten signalisierte, wurde ohne ersichtlichen Grund von einem der Ihren niedergerissen. Die Versammlung beugte sich der Tradition, löste sich auf und die Verhandlung wurde erst wieder aufgenommen, als feststand, dass Rabirius freigesprochen werden würde. All diese Aktionen, nur mäßig erfolgreich, brachten Caesar erneut die Aufmerksamkeit der Popularen und die Sympathie des Volkes ein.

Caesar nahm erneut eine gewaltige Verschuldung auf sich, bestach nicht nur eine einfache Mehrheit der Tribus in den Wahlkomitien, sondern kurzerhand alle (laut W. Will), und wurde zum pontifex maximus Roms (oberster Zeuspriester, religiöser Führer Roms, eine Art „Papst“ – jedenfalls scheint dieses Amt später das Vorbild für den katholischen Glaubensführer gewesen zu sein) gewählt und kurz darauf auf die gleiche Weise zum Prätor. Mit seiner extrem hohen Verschuldung (vermutlich bei Crassus) ging er übrigens nicht unbedingt ein hohes Risiko ein, denn bei seiner Proprätur, also der Statthalterschaft in einer Kolonie nach seinem Amt, konnte er hoffen, seine Finanzen zu sanieren.

Die Lage in Rom sollte nun erneut eine Erschütterung verspüren, aus der leicht eine ausgewachsene Revolution hätte entstehen können, nämlich die Verschwörung des Catilina. Catilina kandidierte im Jahre 63 erneut für das Konsulat (für 62). Dank großzügiger Bestechungsgelder wurden allerdings L. Licinius Murena und D. Iunius Silanus zu Konsuln gewählt. Catilina, dem von antiken Chronisten ein unlauterer Lebensstil (sexuelle Ausschweifungen) und ebenso unlautere Absichten vorgeworfen werden, erfährt von heutigen Historikern und Biographen eine Teilbegnadigung. Die Anschuldigungen gegen ihn (bankrotter Patrizier, gefährlich schwankender Charakter, Prototyp des Verschwörers, Mordgeselle Sullas, Intrigant,….) sind eher übertrieben (die Geschichte schreibt immer der Sieger) und die Ausmaße seiner Verschwörung und seines Aufstandes sind wohl auch eher aufgebauscht. Obwohl man nicht soweit gehen kann, ihn als einen dritten Gracchen zu bezeichnen (dazu war sein Aufstand zu plan- und programmlos), so ist doch seine Verteufelung nicht vollends gerechtfertigt (schließlich hatten diejenigen, die ihn verdammten, selbst genug Leichen im Keller und verhinderten unter anderem die Kandidaturen Catilinas, die ihn zu den weiteren Schritten erst trieben).

Catilina sammelte nach seiner gescheiterten Wahl 63 (Cicero war zu der Wahl in Rüstung erschienen, um zu demonstrieren, auf alles vorbereitet zu sein. Eine Provokation Catilinas?) um sich eine große Anzahl von Verschwörern, die er für einen Umsturz zu nutzen gedachte. Unter ihm sammelten sich alle Unzufriedenen, die von Sulla entmachtet, durch seine Reformen verarmt oder enteignet worden waren. Verschuldete wurden durch Catilinas Versprechen, Schulden zu erlassen, angelockt. Auch die Jugend Roms kokettierte, wie es nun mal in ihrer Natur liegt, mit dem Umstürzler. Außerhalb Roms erhielt Catilina Unterstützung vor allem in den italischen Kolonien, wo seit Sullas Restauration die Unzufriedenheit schwelte. Anwerbung von Truppen gelang in Campanien, Apulien, Picenum, vor allem aber im unruhigen Etrurien.

Ende des Jahres 63 wollten die Verschwörer angeblich den Umsturz wagen. Am 27. Oktober sollte die Erhebung in Etrurien beginnen, einen Tag später sollte Catilina in Rom die Macht übernehmen oder es in Brand setzen (laut Cicero, der die Gefahr besonders betonte, um seine eigene Macht zu festigen). Auch sollten an jenem Tag, laut Cicero, die Optimaten in Rom abgeschlachtet werden. Der Senat gab zunächst wenig auf Ciceros Unkenrufe, was sich aber änderte, als Crassus nebst zwei weiteren Nobiles Cicero anonyme Briefe mit Warnungen vor den Anschlägen übergaben (21.10.). Auch Caesar soll Cicero um diese Zeit herum vor einer gewaltsamen Machtübernahme durch Catilina gewarnt haben. Somit war das Engagement des Crassus und des Caesar für Catilina offensichtlich beendet. Sie zogen sich zurück, als sie bemerkten, dass die Situation auszuufern drohte und Gewalt unvermeidlich wurde. Damit bewiesen sie ihr großes politisches Gespür, denn sie witterten die nahende Katastrophe und versuchten zu retten, was für sie selbst noch zu retten war.

Tatsächlich brachen also am 27. die Aufstände in Etrurien aus, die Optimaten in Rom entgingen jedoch einem Gemetzel, welches wahrscheinlich nur eine Erfindung Ciceros war, der die Situation unnötig anheizte. Am 7. November sollte angeblich erneut ein Attentat auf Cicero vorgesehen sein, das dadurch vereitelt wurde, dass es durch Cicero allgemein kundgetan wurde. In einer Senatssitzung am Morgen des 8. Novembers erschien ein bleicher Catilina, gegen den bisher noch jeder Beweis fehlte und beteuerte seine Unschuld. Cicero schleuderte ihm sein berühmtes :

Wie lange noch, Catilina, willst du unsere Geduld missbrauchen? (…) Was für Zeiten, was für Sitten!

entgegen. Es entstand ein Tumult, in den Catilina angeblich seine „famous last words“ hineinwarf:

Wenn ich also umstellt bin und ins Verderben gestürzt werde, will ich den Brand, der mich verzehren soll, unter Trümmern ersticken!

Er verschwand unbehelligt aus Rom und erreichte Mitte November das Heerlager der Verschwörer bei Faesulae. Erst daraufhin wurde er vom Senat zum Staatsfeind erklärt.

Auch für Caesar wurde die Situation nun brenzlig, denn seine Unterstützung Catilinas war ihm, ebenso wenig wie Crassus, nicht vergessen worden. Kurz nach der Flucht Catilinas befand sich eine Gesandtschaft der keltischen Allobroger, die man für den Aufstand hatte gewinnen wollen, in Rom. Die Kelten jedoch gaben die Anfragen der Verschwörer jedoch über ihren Patron Q. Fabius Sanga an Cicero weiter, woraufhin dieser endlich Beweise in der Hand hielt und fünf angesehene Verschwörer (darunter ein Prätor, P. Cornelius Lentulus) gefangen nehmen konnte. Dies löste vor allem im Volke allerlei Aufregung hervor, da es eher mit den Umstürzlern sympathisierte, als mit der oligarchischen Oberschicht. In einer Senatssitzung am 5. Dezember sah sich der Senat genötigt, über das Schicksal der Gefangenen endgültig zu entscheiden. Es gereicht Caesar zur Ehre, dass er der Sitzung, anders als Crassus, nicht fernblieb, sondern erschien, denn obwohl man sowohl ihm als auch Crassus einen der Gefangenen zur persönlichen Überwachung überstellte, herrschte wohl kaum großes Vertrauen in seine Person. Auf der Sitzung wurde zuerst für eine rigorose Bestrafung der Catilinarier agitiert. Der designierte Konsul Silanus forderte für die Gefangenen die ultima poena , die „endgültige Strafe“, üblicherweise die Todesstrafe, vierzehn weitere hochrangige Magistrate stimmten zu. Dann sprach Caesar, der designierte Prätor. Er ging nicht einfach den Weg des geringsten Widerstandes, sondern bewies persönlichen Mut, als er gegen die herrschende Stimmung im Senat einige Interessen der Catilinarier vertrat. Zwar verurteilte er die umstürzlerischen Tendenzen der Gefangenen aufs schärfste und forderte ebenso wie Silanus die ultima poena, meinte allerdings die lebenslange Haft und die Einziehung aller Güter der Angeklagten. Caesar erwies sich als ausgezeichneter Redner und charismatische Person, denn die Stimmung im Senat schwenkte um. Man war sich nun nicht mehr allzu sicher, ob eine Hinrichtung die einzig mögliche Lösung des Problems war, sogar Q. Cicero, der Bruder des amtierenden Konsuls, stimmte Caesar zu. Silanus gab nun sogar von sich, dass er seine Forderung nach der ultima poena im Sinne Caesars gemeint hatte. Jetzt aber erhob sich Marcus Porcius Cato, ein zweiunddreißigjähriger Optimat, der bald Caesars größter politischer Gegner im Senat werden würde, um sich zum ersten Mal mit seinem Antagonisten zu messen. Als Quästor aus dem Vorjahr und designierter Volkstribun, plädierte der erklärte Optimat entschieden gegen Caesars Vorschlag und forderte erneut die Todesstrafe. Cato war ein Mann von großer persönlicher Integrität, das Abbild eines aufrechten römischen Adligen. Er war ein wortkarger Tugendwächter, altrömisch und prinzipienfest (zum Beispiel weigerte er sich, sich in einer Sänfte herumtragen zu lassen, was für ihn ein Zeichen der Verweichlichung war, ebenso wie eine Kopfbedeckung zu tragen). Deshalb blieb er auch immer geradlinig und kompromisslos, konnte sich nie flexibel oder diplomatisch verhalten. An jenem Tage aber setzte er sich durch. Durch seine engagierte Rede, in der er jede Kompromissbereitschaft den Aufständischen gegenüber verurteilte, schwenkte der Senat erneut um und entschied sich nun doch für die Hinrichtung.

Die Gefangenen wurden davon geschleppt und noch in der selben Nacht erdrosselt. Caesar verließ den Concordiatempel, wo der Senat getagt hatte und wurde von Männern aus der Wachmannschaft, die vornehmlich aus Rittern bestand, mit dem Schwert bedroht. Freunde bedeckten Caesar mit ihrer Toga, Cicero selbst soll die Ritter zurückgerufen haben. Caesar entkam, blieb dem Senat aber im folgenden Jahr fern. Vorläufig hatte er durch seine Bemühungen auch so genug Unterstützung im Volke gewonnen. Die Optimaten mussten ihn zähneknirschend laufen lassen, da man die aufgebrachten Volksmassen nicht noch mehr aufwiegeln wollte, auch wenn sich der Verdacht der Konspiration Caesars mit Catilina mehr als nur erhärtet hatte.

Catilinas Ende war nun unaufhaltbar. Als man in seinem Lager von der Hinrichtung der Gesinnungsgenossen hörte, floh ein großer Teil seiner Truppen, nur ein harter Kern wild Entschlossener blieb bei ihm. Bei Pistoria (Pistoia) schließlich traf er auf die gegen ihn entsandten senatorischen Heere, angeführt von C. Antonius Hybrida, der wohl vorher noch mit Catilina zusammengearbeitet hatte. Es entbrannte eine blutige Schlacht, bei der Catilina, den wohl eher die Umstände als sein verdorbener Charakter zu seiner Verschwörung zwangen, in vorderster Reihe focht. Hier sein Ende, wie es uns Sallust darstellt, der zwar ein negatives Gesamturteil über Catilina fällt, ihm aber dennoch Achtung zollt:

Catilina fand man fern von den Seinen unter den Leichen seiner Feinde. Er atmete noch ein wenig und trug den Trotz in seinen Mienen, den er im Leben gezeigt hatte.


Christian Ilaender, September/Oktober 1996. Verbessert und korrigiert durch Peter Mühlan, Januar 2003.


Caesar


Zurück zur Hauptseite.