November 22, 2024

3. Hannibals Ende. War er blutiger Schlaechter oder Universalgenie?


3.

Der vierte Akt in Hannibals Leben steuerte nun unvermeidlich auf seinen Hoehepunkt zu. Nach seinem grossartigen Sieg bei Cannae ensandte er seinen juengeren Bruder Mago nach Karthargo, damit er die noetige Unterstuetzung anforderte, die Hannibal nach seinen zwei Jahren Krieg in Italien gebraucht haette, um Rom wirklich zu erobern. Der karthargische Senat lehnte jedoch ab und schickte lieber Truppen nach Spanien, an Hasdrubal, der Mittlere Bruder aus Hamilkar Barkas „Loewenbrut“.

Hasdrubal hatte bis Dato einen sehr wechselhaften Krieg gefuehrt. Er entbehrte zwar offenbar der Genialitaet seines Bruders, war aber trotzdem ein faehiger Feldherr. Dennoch wurde er zu Beginn des Krieges im Jahre 217 in Spanien von den Gebruedern Scipio (der eine von ihnen, Publius Cornelius Scipio, Vater des gleichnamigen Sohnes, war ein Jahr vorher von Hannibal am Tacinius geschlagen und verwundet worden) an der Ebromuendung geschlagen. Die Scipionen eroberten Sagunt zurueck und schlugen Hasdrubal erneut (216). Die Kartharger fuechteten nun um ihre kostbaren iberischen Kolonien und um die von Hasdrubal „dem Schoenen“ gegruendete Tochterstadt Carthargo-Nova. Da der Krieg in Italien sehr erfolgreich verlief, liess man Hasdrubal den Loewenanteil der angeworbenen Truppen zuschicken, waehrend Hannibal nur 4000 Mann erhielt, mit denen er zwar den Krieg in Italien weiterfuehren, nie aber gewinnen konnte. Hasdrubal scheint dies gewusst zu haben. Kurze Zeit spaeter verhinderten die Scipionen seinen ersten Durchbruchsversuch nach Italien. So wurden die Truppen unter Mago sowohl nach Spanien, als auch nach Sardinien verschifft, wo man ebenfalls im Aufstand gegen Rom war. Die Invasion Sardiniens endete allerdings in einer Katastrophe: das karthargische Heer wurde vernichtend geschlagen und die Eroberungsflotte sank in einem Sturm.
Inzwischen war nach dem Tod des ueber neunzigjaehrigen Tyrannen von Syrakus Hieron (215) die Stadt von Rom abgefallen und hatte die Kartharger ins Land gerufen. Die Roemer machten den umsichtigen Claudius Marcellus, der erfolgreich gegen Hannibal bei Nola gekaempft hatte, zum Oberbefehlshaber in Sizilien. Himilko, entsendet vom karthargischen Senat, landete mit ca. 30000 Mann auf Sizilien, einer grossen Streitmacht,welche Hannibal bitter noetig gehabt haette. Er wurde von Marcellus bei Panormus (Palermo) vernichtend geschlagen und zog sich darauf fuer zwei Jahre nach Agrigentum zurueck, waehrend Marcellus ungestoert Syrakus belagern konnte. Dass er dafuer zwei volle Jahre benoetigte, verdankten die Syrakuser dem genialen Mathematiker Archimedes, der Bewohner ihrer Stadt war. Mit seinen Erfindungen, zu denen auch der Flaschenzug, die Winde und die Hebeschraube zaehlte, verbesserte er die Ballistik der Wurf- und Pfeilmachinen derart, dass die Roemer erst 212 Syrakus erobern konnten. Vorher hatte Marcellus, welcher aufgrund der Belagerung zu verzweifeln begann, die vereinigten Truppen der Syrakuser und Kartharger, die sich aus ihrer Festung gewagt hatten, waehrend eines Saufgelages geschlagen. Archimedes aber wurde von einem roemischen Soldaten waehrend der Pluenderung Syrakus erschlagen. Angeblich befahl der alte Mathematiker ueber in den Sand gezeichnete Kreise hockend, den eintretenden Legionaeren „Stoert meine Kreise nicht!“, bevor er von ihnen durchbohrt wurde. Die Roemer hatten damit den Krieg auf Sizilien gewonnen und die Kartharger raeumten die Insel 210 vollstaendig.
Inzwischen hatte Hasdrubal in Spanien erneut die Oberhand gewonnen. Er konnte die Heere der Gebrueder Scipio trennen und einzeln schlagen, wobei beide Scipionen ums Leben kamen (211). In Rom herrschte nun allgemeine Ratlosigkeit und niemand wollte den Oberbefehl in Iberien uebernehmen, bis sich ein junger Mann von 25 Jahren, der Sohn des Publius Cornelius Scipio, der denselben Namen trug, dazu bereiterklaerte. 210 uebernahm der junge Mann den Oberbefehl in Spanien, im gleichen Alter, wie dies einst auch Hannibal getan hatte. Jener Scipio ist eine der interassentesten Figuren der Weltgeschichte, konnte aber niemals aus dem Schatten Hannibals, den er besiegen sollte, hervortreten.
Es gibt viele Parallelen zwischen Hannibal und seinem Erzfeind Scipio. Beide stammten aus einer reichen Familie und genossen somit eine ausgezeichnete Ausbildung. Ebenso wie Hannibal, welcher von einem griechischen Philosophen unterrichtet worden war, sprach Scipio neben seiner Muttersprache Latein mindestens noch Griechisch, wahrscheinlich aber mehrere Sprachen. Dieser Vergleich leitet uns automatisch zu der Frage, ob Hannibal nur ein kulturloser blutruenstiger Schlaechter war. Obwohl Hannibal einen fast zwanzigjaehrigen zerstoererischen Krieg fuehrte, bei dem seine hervorragendsten Leistungen logischerweise militaerischer Natur waren, ist nicht anzunehmen, dass er sich nur aufs Kriegshandwerk verstand. Im Gegenteil, durch seine Ausbildung durch den Griechen Sosylos wird er ein Kenner nicht nur der griechischen Sprache, sondern auch der hohen Kultur der Hellenen gewesen sein, welche noch heutzutage als grosse Kuenstler gelten. Die Ausbildung durch einen Philosophen ist sogar eine Parallele zu dem unbestritten genialen Alexander, der in seiner Jugend durch Aristoteles ausgebildet wurde. Anders als Alexander allerdings neigte Hannibal nicht zu krankhaften Besaeufnissen, die vielleicht auch Alexanders Tod als koerperliches Wrack 323 in Babylon verursacht hatten. Hannibal hatte keinen grossen Sinn fuer Luxus und Trinkereien, wie er uns ueberhaupt als sehr integer erscheint. Seine Soldaten liebten und vergoetterten ihn, den er teilte all ihre Leiden und Starpazen. Wenn sie unter freien Himmel in den Bergen oder Suempfen schlafen mussten, so tat er es auch, sofern er ueberhaupt schlief, denn sein geringes Schlafpensum war legendaer. Manchmal schlief er mitten unter den Soldaten der Wachmannschaften seinen unruihgen Schlaf. Noch dazu scheint er ein geschickter Psychologe und Demagoge gewesen zu sein, der vor jeder Schlacht in mehreren Sprachen anfeuernd zu seinen Maenner sprach, was wiederum auf sein hohes kulturelles Niveau schliessen laesst. Obwohl er, wie alle Feldherren der vergangenen, gegenwaertigen und kommenden Zeiten, oft grosse Grausamkeit anwendete, beispielsweise um die italische Bevoelkerung zu verschrecken oder um Verbuendete zu gewinnen, schien er keinen Gefallen daran zu finden. Auch hatte er immer eine grosse Achtung vor tapferen Gegnern. So konnte er beispielsweise 209 bei Ausculum den aus Sizilien zurueckgekehrten Marcellus, der inzwischen „das Schwert Roms“ genannt wurde, schlagen und toeten. Er liess Marcellus Leiche, die ihm in die Haende gefallen war, jedoch nicht etwa schaenden, sondern standesgemaess beisetzen, eine Ehre, die die Roemer seinem Bruder Hasdrubal verweigern sollten.
Seinen universellen Genius als Feldherr, Staatsmann und Baumeister wuerde Hannibal allerdings erst nach dem verlorenen Krieg wirklich unter Beweis stellen. Leider werden seine Leistungen und Errungenschaften in den Jahren von 202 bis 183 zu oft nicht erwaehnt, weshalb er uns nur als Kriegsmann in Erinnerung geblieben ist.
Doch zurueck zum Kriegsgeschehen. In Spanien fanden nun die alles entscheidenden Kaempfe statt, denn der auf die ausbleibende Unterstuetzung wartende Hannibal hatte die Initiative in Italien verloren, musste einen wichtigen Stuetzpunkt nach dem anderen aufgeben und konnte sich zuletzt nur noch in Crotton einigeln. Scipio stellte nach seiner Ankunft in Spanien ein neues Heer auf und konnte in einem Handstreich das reiche Carthargo-Nova erobern (210), waehrend sich Hasdrubal bei der Befriedung eines Kelt-Iberischen Stammes verlustierte. Der mittlere Barkide hatte scheinbar deutlich erkannt, dass die Kartharger nur unter Hannibal auf italienischem Boden siegen koennten. Er stiess mit einem grossen Heer bis an den Ebro vor. Scipio stellte seinen Gegner bei Baecula (209) und fuegte ihm eine schwere Niederlage zu. Hasdrubal lies sich aber nicht beirren, sondern folgte der Route, die sein Bruder vor beinahe 10 Jahren genommen hatte. Er zog mit dem Restheer ueber die Alpen gen Italien. Nachrichten, die er ungeschickt an seinen aelteren Bruder sendete, wurden von den Roemern abgefangen, so dass Hannibal nichts von der Ankunft seines Bruders ahnte, Hasdrubal dafuer aber von den Roemern erwartet wurde. Da er im Fruehjahr losgezogen war, ueberquerte er die Alpen ohne die gewaltigen Verluste, die sein Bruder hatte hinnehmen muessen. In Italien angelangt schickte er erneut Boten zu seinem Bruder nach Sueditalien, welche aber erneut abgefangen wurden. 207 stellten die Roemer unter Livius Salinator und Claudius Nero Hasdrubal, der noch ueber ca. 50000 verfuegte, am Metaurus. Erneut bewies er, dass er nicht das taktische Genie seines Bruders besass. Die Roemer schlugen ihn vernichtend und wendeten dabei ebenso wie Scipio die von Hannibal uebernommene Taktik an: Ueberfluegelung des Heeres durch Kavallerieeinheiten und selbstaendig operierende Infanterieeinheiten. Hasdrubal wurde enthauptet und der Kopf des geschaendeten Leichnahms in Hannibals Lager bei Venusia geworfen. Was mag Hannibal beim Anblick des Kopfes empunden haben? Ahnte er mittlerweile, dass er den Krieg kaum mehr gewinnen konnte und dass die Barkiden untergehen wuerden? Auf jeden Fall wird er grosse Trauer und Wut auf den karthargischen Senat empfunden haben, der ihm die Unterstuetzungen versagt hatte und Abertausende nach Sardinien, Sizilien und Iberien schickte, mit denen er den Krieg in Italien schon vor Jahren haette beenden koennen.
In Spanien ging der karthargische Wahnsinn jedoch unvermindert weiter. Erneut wurde ein gewaltiges Heer mit fast 70000 Mann ausgeruestet, um die durch Scipio bedrohte Kolonie zu retten. Den Oberbefehl erhielten der Numider Massinissa und Hannibals juengster Bruder Mago, der zwar ein grossartiger Soldat, aber nur ein schlechter General war. Scipio traf 206 mit ca. 40000 Mann bei Ilipa auf sie . Nach vier Tagen taktischem Geplaenkel stellte Scipio seine Elitetruppen des Nachts ueberraschend an die Flanken seines Heeres und besiegte Massinissa und Mago beinahe ebenso, wie Hannibal zehn Jahre zuvor ueber Varro und Paulus bei Cannae gewonnen hatte. Sein Sieg war vergleichbar durchschlagend und blutig wie Hannibals.Im folgenden Jahr eroberte er ganz Spanien. Anschließend konnte er endlich seine lang geplante Invasion Afrikas vorbereiten und erreichte ein Buendniss mit Massinissa. Dieser numidische Regionalfuerst stand in Opposition zu dem Numiderkoenig Syphax, welcher sich zuerst mit Rom verbuendet hatte, dann aber die Karthargerin Sophonisbe heiratete und nun Karthargo unterstuetzte. Schon 205 landete der Roemer Laelius in Afrika und konnte Hippo Regio einnehmen. Mago aber floh nach seiner Niederlage bei Ilipa auf die balearischen Inseln, um dort neue Truppen auszuheben. Der karthargische Senat beging nun zum letzten Mal eine unverzeihliche Dummheit und sendete angeheuerte Soeldner zu Mago auf Menorca.(Kleine Anekdote am Rande dieses Trauerspiels: Mago ueberwinterte in Menorca, wo Port Mahon nach ihm benannt ist. Nach dieser Stadt ist auch die Mayonnaise benannt!). Ohne sich irgendwie mit seinem Bruder abzustimmen, segelte Mago von Menorca aus (205) nach Italien und konnte dort mit Glueck Genua erobern. Vom karthargischen Senat erhielt Hannibal derweil den Befehl, auf Rom zu marschieren, was diesem wie blanker Hohn erschienen sein musste. Er siegte nochmals ueber ein roemisches Heer bei Crotona unter Sempronius, verlor aber gleichzeitig seine letzten Stuetzpunkte Clampetra, Consentra und Pandesia und wurde von da an belagert. Inzwischen landete Scipio in Afrika. Er begnuegte sich allerdings damit, das libysche Umland zu verwuesten und sah von einer Belagerung Karthargos ab. Im Jahre 203 schlug er das eilig zusammengestellte Heer des numidischen Koenigs Syphax und dem Kartharger Hasdrubal Gisko, der uebrigens der Vater Sophonisbes war und mit der Heirat seiner Tochter mit dem afrikanischem Monarchen das Buendnis zustande gebracht hatte. Die Reste der Armee schlug Scipio erneut am Fluss Medjerda. Hasdrubal Gisko floh nach Karthargo zurueck, Syphax in seine Hauptstadt Cirtas. Er wurde eilends von den Roemern unter Laelius und dem Numiderfuersten Massinissa verfolgt und nach der Eroberung Cirtas gefangen. Massinissa heiratete daraufhin die schoene Sophonisbe, bewegte sie jedoch zum Selbstmord, um sie nicht an Rom ausliefern zu muessen. Derweil belagerte Scipio 203 Karthargo und unterbreitete der Stadt einen Friedensvertrag. Inzwischen war die Nachricht eingetroffen, dass Mago von Cornelius geschlagen und toedlich verwundet worden war. Die Resttruppen unter dem im Sterben liegenden Mago trafen gerade in Karthargo ein. Man zoegerte nicht lange, sondern ging auf ein Friedensangebot Scipios ein, dass folgendermassen aussah: Rueckzug aus Italien, Anerkennung Massinissas als numidischer Koenig, Abtretung Spaniens und aller Mittelmeerinseln, Auslieferung der Flotte bis auf 20 Schiffe, Reperationsleistungen von 5000 Talenten Silber. Der karthargische Senat berief schliesslich Hannibal zurueck, der mittlerweile 45 Jahre alt war und seine Heimatstadt seit seinem neunten Lebensjahr nicht gesehen hatte. Er muss sich wie ein begnadigter Exilierter vorgekommen sein, oder aber wie der im Stich gelassene einsamste Mensch der Welt. Bei seiner Rueckkehr 202 erfuhr er vom Tode seines letzten Bruders.

Mit der Rueckkehr des genialen Feldherren, um den sich bereits jetzt Legenden rankten, wurde eine neue Runde karthargischer Idiotie im Senat eingeleutet. Die Bedingungen des Friedensvertrages missachtend sollte Hannibal den Kampf gegen die Roemer erneut wiederaufnehmen. Hasdrubal Gisko warnte den Senat vor dieser unklugen Entscheidung, da Hannibals zerfleddertes Veteranenheer kaum eine Chance gegen die roemischen Legionen hatte, wurde aber von den Senatoren als Feigling beschimpft und von einer aufgebrachten Volksmenge gesteinigt.
Die Ereignisse, die in Zama enden wuerden, nahmen ihren Lauf. Eine roemische Gesandschaft in Karthargo wurde enthauptet und der Krieg flammte mit unverminderter Heftigkeit wieder auf. Scipio, der inzwischen nach Rom heimgekehrt war, kehrte nach Afrika zurueck und zog mit seinen Truppen marodierend durch karthargisches Kernland. Hannibal war gezwungen ihn zu verfolgen und schliesslich trafen die beiden Heere bei Zama (202)aufeinander. Angeblich traf sich Hannibal mit Scipio kurz vor der Schlacht, um ihm erneut Frieden anzubieten. Er erinnerte Scipio daran, dass er auf dem Hoehepunkt seines Ruhmes stand und dass er mit diesem Frieden unsterblich werden koennte. Mit einer Schlacht aber wuerde ihn der eigene Ruhm auffressen. Scipio lehnte das Friedensangebot ab und wuerde feststellen muessen, dass Hannibal recht behalten sollte.
Obwohl sich auf beiden Seiten etwa 50000 Mann gegenueberstanden, waren die Heere durchaus nicht gleichwertig. Hannibal verfuegte gegen die kriegserfahrenen Legionaere ueber ein zusammengewuerfeltes Heer, welches aus frisch angeworbenen und unerfahrenen Soeldnern, aus den kriegsmueden Veteranen und einem 4000 Mann starken makedonischen Hilfsheer bestand. Zwar konnte er zum ersten mal seit ueber 15 Jahren wieder auf Elefanten zurueckgreifen, doch verpuffte deren Angriffswucht an den geschickt aufgestellten Truppen Scipios, der seine Legionaere Gassen bilden liess, durch die die Tiere rannten und in denen sie von Leichtbewaffneten leicht getoetet oder in Hannibals Reihen gejagt werden konnten. Viel wichtiger aber war, dass Scipio dank dem Numider ueber ueberlegene Kavallerieeinheiten verfuegte und die Numider, die frueher Hannibal den Sieg geschenkt hatten, sollten nun dasselbe fuer Scipio tun. Als die Heere in der Mitte aufeinandertrafen, flohen die neugeworbenen karthargischen Soeldner vor den roemischen Soldaten und wurden daraufhin von den in der zweiten Schlachtreihe stehenden Veteranen Hannibals angegriffen. Waehrend seine Armee also derartig gegen sich selbst kaempfte, verjagte Masinissa Hannibals unterlegene Kavallerie und fiel den restlichen Karthargern, die bis dahin eine Pattsituation erfochten hatten, in den Ruecken, womit die Nierderlage besiegelt war.
Es wird noch heute darueber gestritten, wer der groessere von beiden war: Scipio oder Hannibal? Ebenso wie Hannibal hatte Scipio in Spanien Schlachten gegen gewaltige zahlenmaessig ueberlegene Truppen gewonnen (Baecula, Ilipa). Er war ein ausserordentlich gewitzter und schlitzohriger General, der genau wie Hannibal ein Vielzahl von Kriegslisten anwendete, um seine Ziele zu erreichen. Waehrend Hannibal oft der Vorwurf gemacht wurde, nur ein talentierte General, sonst aber ein ungebildeter Primitiver zu sein, scheidet dieser Vorwurf bei Scipio von vorneherein aus, denn als Sohn eines roemischen Adeligen wurde ihm die beste Ausbildung der Epoche zuteil. Das der Vorwurf gegen Hannibal allerdings ebenso unberechtigt ist, habe ich an anderer Stelle schon erwaehnt (Ausbildung durch Sosylos) und es ist wahrscheinlich, dass Hannibal dem Scipio im Geiste an nichts nachstand. Anders als Hannibal hatte Scipio allerdings die negativen Meriten seines Standes uebernommen. Er war ein arroganter und eingebildeter Snob, dessen Truppen ab und an gegen ihn meuterten und nur mit dem Versprechen von Lohnerhoehungen bei der Stange gehalten werden konnten. Daraus ist ihm kein Vorwurf zu machen, da es sich bei kaum einen Adeligen anders verhielt; Hannibal jedoch stammte auch aus einer Adelsfamilie, war sich seinerseits jedoch nicht zu schade, mit einfachen Soldaten zu verkehren, ihre Mahlzeiten zu teilen, ihr Leid auf sich zu nehmen oder die Verwundeten zu besuchen. Daraus, das Scipio aus dem einzigen Aufeinandertreffen der beiden genialsten Feldherren ihrer Epoche als Sieger hevorging, ist aus den oben genannten Gruenden kein voreiliger Schluss zu ziehen, da Hannibals Truppen denen des Scipionen wie gesagt unterliegen mussten.


Ebenso wie dieser Karthargische Gott muessen die Roemer ueber ihre Gegner gelacht haben.

Hannibal floh nach der Schlacht nach Hadrumetum und riet zum Frieden, auf den sich der karthargische Senat nun (202) zu verschaerften Bedingungen einlassen musste: Verzicht auf Spanien und die Mittelmeerinseln, Anerkennung Massinissas, Uebergabe der Flotte bis auf zehn Schiffe, Verbot der Fuehrung von Kriegen ausserhalb Afrikas, innerhalb Afrikas nur mit der Zustimmung Roms und die Zahlungen von 10000 Silbertalenten an Rom. Der roemische Buerger hatte endgueltig ueber den karthargischen Haendler gesiegt. Dass Scipio nicht auf einer Auslieferung Hannibals bestand, mag zeigen, wie hoch er seinen geschlagenen Gegener und Lehrmeister achtete.

Der vierte Akt aus Hannibals Leben ist beendet, er und Karthargo wurden in der Entscheidungsschlacht von Zama zu Fall gebracht. Meistens ist damit fuer uns auch die Geschichte Hannibals beendet, doch sollte sein Leben noch 15 weitere Jahre aus genialen Hoehepunkten, erbaermlichen Fluchten und vergebenen grossartigen Moeglichkeiten, die sich in seiner Person vor allem den Herrschern boten, denen er seine Dienste zur Verfuegung stellte, bestehen. Hier nun der weitere Verlauf seines fast tragischen Lebens, der fuenfte, langsam ausklingende Akt seines Tuns und Lassens, die vergessenen Jahre seines immer noch von Groesse und Genius und verlorenen Chancen gepraegten Handelns:
Zuerst setzte sich Hannibal in Karthargo sechs Jahre politisch zur Ruhe und wurde ein recht erfolgreicher Geschaeftsmann. In dieser Zeit konsolidierte sich das kriegsgeschaedigte Karthargo atemberaubend schnell und wurde bald trotz der hohen Reperationsleistungen wieder reich, reicher als das vergleichsweise immer noch primitive Rom. Ganz politisch inaktiv blieb der letzte Barkide jedoch nicht und so erfolgte im Jahre 196 seine Wahl zum Suffeten, ein Amt, was mit dem roemischen Consulat vergleichbar und ebenso zweigeteilt war. Sein Mitregent wurde allerdings von der antiken Geschichtsschreibung neben dem immer noch beliebten Hannibal zur voelligen Bedeutungslosigkeit degradiert; nicht einmal sein Name wird erwaehnt.
In seiner Taetigkeit als „Staatspraesident“ bewies Hannibal, dass er zu mehr als nur zum Feldherren geboren war. Er fuehrte derartig viele Reformen zum Wohle und Nutzen Karthargos durch, dass er sowohl den Roemern erneut suspekt wurde, als auch der reichen Oberschicht in Karthargo, zu deren Lasten die staatsdienlichen Reformen groesstenteils gingen. Hannibal bekaempfte das fuer eine Oligarchie der Reichen uebliche Korruptionswesen, entlastete den Finanzhaushalt und reformierte die Verfassung. So wurden die Senatsmitglieder von da an nicht mehr auf Lebzeiten, sondern nur noch auf ein Jahr gewaehlt. Zwischen zwei Amtsperioden als Senator mussten mindestens zwei Jahre liegen. Der Aemterkauf wurde verboten. Mit diesen modernen und nahezu fortschrittlichen Reformen bewies Hannibal, dass er auch ein grossartiger Staatstheoretiker auf dem Niveau eines Aristoteles gewesen ist, und ausserdem jemand, der die Beduerfnisse des einfachen Volkes hoeher bewertete, als die der Reichen, ein Versuch, den man erst in unserem Jahrhundert wieder mehr oder weniger erfolgreich macht. Hannibal war aber auch ein hervorragender Wirtschaftsfachmann und er beguenstigte den rasanten Wiederaufstieg Karthargos zur antiken Mittelmeerhandelsmetropole Nummer eins. Er liess das Umland kultivieren, Olivenhaine anlegen, Steuern konsequent eintreiben, Aussenhandelszoelle einfuehren, u.s.w. Die weitgehend von ihm entmachtete ehemalige reiche Oberschicht heulte aufgrund Hannibals Massnahmen Rotz und Wasser und nuetzte Roms Misstrauen gegen den wiedererstarkenden Feind, um schmaehlichen Verrat an dem Barkiden zu verueben, der immer nur das Beste fuer Karthargo im Auge hatte. Eine karthargische Delegation reiste nach Rom und beschuldigte Hannibal der Zusammenarbeit mit den Feinden Roms, namentlich Antiochos III. (zu diesem gleich mehr). In Rom hatte man offene Ohren fuer das dankbare Geruecht und nahm es als Vorwand, nun doch die Auslieferung des gehassten Erzfeindes zu fordern. Hannibal erfuhr von dem Vorgehen seiner eigenen Leute und floh in einer Nacht und Nebel Aktion vor den anreisenden roemischen Verhaftungstrupps. Karthargo aber hatte den groessten Staatsmann verloren, ueber den es wohl je verfuegt hatte. Die seit jeher den Barkiden feindlich gesonnene Oberschicht hatte Karthargo die letzte Chance genommen, sich so gut wieder herzustellen, dass man die unweigerlich kommende dritte Auseinandersetzung mit den imperialistischen Roemern haette ueberleben koennen.
Hannibal floh ueber die karthargische Mutterstadt Tyros nach Antiocheia zu Antiochius III. Ebenso wie Phillip V. von Makedonien, der inzwischen den kuerzeren gegen Rom gezogen hatte, war Antiochius ein Nachfahre der Alexander-Diadochen. Er herrschte ueber ein gewaltiges Reich von Kleinasien, ueber Persien, bis an die Grenzen Aegyptens und Indiens. Es war klar, dass es frueher oder spaeter zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Rom, der letzten verbliebenen Grossmacht im Mitttelmeerraum kommen wuerde. Antiochius nahm Hannibal freundlich auf, ging aber nicht auf dessen Angebote ein, ihn mit einer Armee nach Italien zu schicken. Durch Neid und Missgunst im Stabe Antiochos wurde Hannibal zuerst nicht mehr als ein militaerischer Berater eines Koenigs, der wohl kaum sehr faehig gewesen ist, und die grossartige Gelegenheit, die sich ihm in Hannibals Person bot nicht nutzte. Antiochos griff schliesslich Griechenland an (192) und reizte damit die Roemer, die ihre neugewonnenen Kolonien verteidigten. Hannibal bekam nur den Befehl ueber die neugebaute Flotte und unterlag in seiner ersten Seeschlacht den mit den Roemern verbuendeten Rhodesiern, obwohl er auf seinem Fluegel gesiegt hatte. Gleichzeitig unterlag Antiochos Heerfuehrer Thoas, der statt Hannibal den Oberbefehl innehatte, bei den Thermophylen den Roemern. Das nun von Antiochos aufgestellte Grossheer von ueber 80000 Mann traf 189 bei Magnesia auf die etwa 40000 Mann starken Roemer unter Lucius Cornelius Scipio, der Bruder des Siegers von Zama, der inzwischen den Ehrennamen Africanus trug. Hannibal durfte wieder nur zusehen und soll zynisch bemerkt haben:

„Ja, Antiochos, dieses Heer duerfte den Roemern genuegen, auch wenn sie noch so gierig sind!“

Antiochos Heer unterlag katastrophal und verlor ueber 50000 Mann. Antiochos musste Kleinasien raeumen und die Vorherrschaft Roms anerkennen, womit er seine ehemaligen Welteroberungsplaene begraben konnte. Hannibal aber liess er fliehen, damit er nicht in die Hand der Roemer fiel.
Hannibal machte sich auf zu Koenig Artaxias von Armenien, der sich nach der Niederlage seines Lehnsherren Antiochos als Alleinherrscher ausrufen liess. Er blieb nicht sehr lange hier, da ihn weiterhin roemische Kommandos suchten, doch erbaute er auf Artaxias Wunsch die neue Hauptstadt Armeniens Artaxiata. Hannibal war also auch noch ein begabter Baumeister. Auch wenn wir nicht viel ueber seine Taetigkeit in Armenien wissen, so koennen wir doch erneut nur erahnen, welch einen Genius Hannibal in sich getragen haben muss (Feldherr, Demagoge, Handelsmann, Staatsmann, Baumeister,….).

Hannibal reiste nach Kreta, von wo er bald wieder floh. Legendaer ist die Anekdote, dass er seine betraechtlichen Geldmittel in wertlosen Amphoren in seinem Garten versteckte, bei denen kein Raeuber darauf gekommen waere, Reichtuemer in ihnen zu suchen.

Schliesslich floh Hannibal zu Koenig Prusias von Bithynien, der dem alten Roemerfeind herzlich Asyl anbot. Auch Prusias Reich war irgendwie aus den Daidochenreichen hervorgegeangen und ebenso wie fast alle Diadochen war auch Prusias ein nahezu unfaehiger Herrscher. Mommsen nennt ihn sogar „jaemmerlichsten Jammerprinzen Asiens.“. Da auch er von einem Alexandristischen Grossreich wie Antiochos traeumte, erklaerte er dem Nachbarstaate Pergamon unter Koenig Eumenes II. den Krieg, der bei der Schlacht von Magnesia Verbuendeter Roms gewesen war. Hannibal erhielt erneut nur den Befehl ueber die Flotte, die diesen Namen noch weniger verdient hatte, als die Flotte, die ihm Koenig Antiochos angedreht hatte. Dennoch blitzte noch einmal Hannibals militaerisches Genie auf, diesmal als Admiral. Ein letztes aufgluehen seines sinkenden Sternes schenkte ihm den Sieg.

Die Schiffe Koenig Pergamons, an Qualitaet und Zahl weit ueberlegen, naeherten sich der lausigen Flotte Bithyniens in Erwartung eines leichten Sieges. Ploetzlich wurden Tonamphoren zu ihnen heruebergeschleudert, die jedoch keinen weiteren Schaden anrichteten. Weitaus groesseren Schaden richteten allerdings die in den Amphoren enthaltenen Giftschlangen und Skorpione an. Dem Meister der psychologischen Kriegsfuehrung glueckte gegen die verschreckte Flotte Eumenes II. daraufhin der Sieg. An Land allerdings stellte sich Prusias den ueberlegenen Truppen Pergamons, wovon Hannibal abgeraten hatte, und wurde vernichtend geschlagen.

Die Roemer verfolgten Hannibal, der scheinbar auf allen Schauplaetzen auftauchte, auf denen gegen die Roemer gekaempft wurde, immer hartnaeckiger. Da ihn Koenig Prusias nun nicht laenger schuetzen konnte, rueckten roemische Truppen bis zu Hannibals Villa in Lybissa vor, die in der Naehe der bithynischen Hauptstadt Nikomedia lag. Derartig gestellt, beging Hannibal, der den Beinamen „der Grosse“ mehr verdient haette als ein Alexander oder Karl, im Jahre 183 vor Christus Selbstmord. Seine letzten Worte sollen gewesen sein:

„Es ist nun an der Zeit, die Angst der Roemer zu beenden. Sie sind nicht in der Lage, laenger auf den Tod eines alten Mannes zu warten, der ihnen so viele Sorgen bereitet hat.“

Es ist vielleicht die groesste Ironie in der Weltgeschichte, dass der einzige, der ihm vielleicht an Genialitaet und Groesse ebenbuertig war und der ihn auf dem Schlachtfeld bei Zama endgueltig besiegt hatte, Scipio Africanus, im selben Jahr im Alter von 52 Jahren starb. Ebenso wie die Kartharger, hatte die roemische Oberschicht den maechtigen Scipionen denunziert, ihn der Konspiration mit Antiochos III. beschuldigt und das er persoenliche Vorteile aus dem Friedensschluss mit Karthargo gezogen haette. Nach einem bitteren Gerichtsverfahren, bei welchem der enttaeuschte Scipione die Aussage verweigerte, zog er sich auf sein Landgut zurueck, um einsam dort zu sterben, ohne je wieder einen Fuss nach Rom gesetzt zu haben. Karthargo aber sollte die beiden grossen Maenner, die um sein Wohl und Wehe gekaempft hatten, nicht lange ueberleben. Vor allem der roemische Senator Catho (allerdings nicht jener Catho, der Widersacher Caesars werden sollte) hatte sich vom Wiedererbluehen des karthargischen Handels persoenlich ueberzeugt und beendete von da an jede seiner Rede mit den Worten:

„Im uebrigen bin ich der Meinung, dass Karthargo zerstoert werden muss.“

In den Jahren 149-146 (3. Punischer Krieg) erfuellte man ihm endlich seinen Wunsch und der Zerstoerer Karthargos, der die Stadt vollstaendig schleifen liess, Salz in die Erde streute und sie auf hundert Jahre verfluchen liess, war Aemilianus Scipio, der damit das von seinen Grossvaetern und Vaetern begonnene Werk vollendete.

 

PS:

Wer sich fuer Hannibal und sein Leben interessiert, wird in jedem gut sortierten groesseren Buchladen ein grosses Angebot an Literatur finden. Das neueste erschienene Buch ist von Hartwig A. Vogelsberger, „Hannibal- Karthargos Kampf um die Weltherrschaft“, erschienen im Herbig Verlag.
Nicht auslassen sollte man allerdings den historischen Roman von Gisbert Haefs, „Hannibal-Der Roman Karthargos“.Ein Meisterwerk, das uns Hannibals Leben vielleicht annaehernd authentisch schildert.

 


Christian Ilaender, 3. 5.1996.

 


Hannibal


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