November 23, 2024

2. Hannibals Kampf um Rom.


Hannibals ganzer Lebenslauf steuert ihn unweigerlich auf seinen moerderischen Kampf um Rom zu. Er unterliegt den Roemern in einem vernichtendem Ringen und sein Leben koennte ein Drama Shakespeares in fuenf Akten sein. Hoehepunkt dieses Dramas waere sicherlich Hannibals Rueckkehr aus Italien und seine Niederlage gegen den Scipionen bei Zama.

Zuerst stellen wir aber den ersten Akt seines Lebens dar, welches an Dramatik und auch Tragik kaum zu ueberbieten ist. Auch deshalb ist die Faszination Hannibals bis in unser Jahrhundert erhalten geblieben. Viele Fragen bewegen uns, wenn wir seinen Lebensweg betrachten, zum Beispiel warum er unterliegen konnte, obwohl er doch die vielleicht beruehmteste Schlacht der Kriegsgeschichte mit Waterloo, naemlich Cannae, so vernichtend gewann? Wie kam es, dass er Rom nicht einnehmen konnte? Dies, und anderes soll hier versucht dargestellt zu werden.

Hannibal wurde im Jahre 246 v. Chr. (alle weiteren Daten ebenfalls vor Christus, ausser anders gekennzeichnete) geboren. Somit war er ein Kriegskind, denn Karthargo befand sich fuenf Jahre vor Ende seiner ersten Auseinandersetzung mit dem kriegerischen Rom, einem Kampf, der nun schon achtzehn Jahre andauerte. Sein Vater, Hamilkar Barkas(=Blitz), war Kommandant der punischen Streitkraefte auf Sizilien und verteidigte es erfolgreich gegen Rom. Hannibal wurde in eine Zeit geboren, in der sich die Ereignisse zuspitzten und wo sich die zaeheren und opferbereiteren Roemer schliesslich gegen die reichen Kartharger durchsetzen konnten. Ueber Staatsanleihen finanzierte man in Rom eine neue Flotte (die frueheren Flotten waren vernichtet oder im Sturm gesunken) und schlug die Kartharger 241 bei den Aegatischen Inseln. Die Kriegsmueden Kartharger stimmten einem ueberharten Frieden zu, in welchem sie Sizilien an Rom verloren, italisches Hoheitsgebiet nicht mehr befahren durften und zu hohen Reperationszahlungen verpflichtet wurden. Hamilkar Barkas, wie gesagt bisher recht erfolgreich, zog sich enttaeuscht mit seinen Soehnen Hannibal, dem juengeren Hasdrubal und dem juengsten Bruder Mago auf sein Landgut zurueck. Ausserdem hat Hannibal wohl noch zwei Schwestern gehabt, die im Gegensatz zu ihren Bruedern einen grossen Teil ihres Lebens in Karthargo verbringen konnten. Hier erhielten Hannibal und seine Geschwister Unterricht von dem griechischen Lehrmeister und Philosophen Sosylos, der sie in Sprachen und Kultur unterrichtete. Wir koennen also davon ausgehen, dass Hannibal mindestens karthargisch und auch griechisch sprach. Wahrscheinlich konnte er allerdings noch viel mehr Sprachen, die er bei seinen bunt zusammengewuerfelten Soeldnerheeren auch dringend benoetigte.
Im Moment aber benoetigte seine Vaterstadt wieder dringendst seinen Vater Hamilkar, denn die vom karthargischen Senat betrogenen Soeldner aus Sizilien befanden sich im offenen Aufstand gegen die Kartharger. Auch die Libyier (Afrikaner) schlossen sich dem Aufstand an, und der vom Senat entsandte Hanno „der Grosse“ wurde von den Soeldern schwer geschlagen. Jener Hanno war uebrigens ein alter Feind des Barkidenclans Hamilkars und vertrat die reiche Oberschicht Karthargos, waehrend die Barkiden einer erklaerten Kriegerkaste stammten. Hamilkar sollte seinen Feind auch seinen Soehnen vererben, und dieser wuerde nicht unerheblich daran schuld sein, dass seine Soehne, die „Loewenbrut“, schliesslich alle sterben mussten, zwei im zweiten punischen Krieg; Hannibal beging Selbstmord (Hamilkar Barkas.).
Trotz zahlenmaessig stark unterlegenen Verbaenden konnte Hamilkar die Aufstaendigen blutig aufreiben. Die Roemer aber nutzten derweil die Schwaeche des Gegners: auch auf Sardinien befanden sich karthargische Soeldner im Aufstand und Karthargo ruestete eine Flotte aus, um Sardinien zu befrieden. Rom wertete dies als „Bruch“ des Friedensvertrages, erklaerte Karthargo kurzerhand den Krieg und besetzte Korsika und Sardinien. Die von den blutigen Gemetzeln der Soeldner im eigenen Lande geschwaechten Kartharger mussten hilflos zusehen, wie sich die Roemer die beiden verbliebenen Mittelmeerinseln einverleibten. Sie mussten sogar eine Erhoehung der Reperationszahlungen hinnehmen.
Es liegt mir allerdings fern, dass Verhalten der Roemer, trotz meiner etwas negativen Darstellung, zu verurteilen. In der damaligen Zeit war das Vorgehen der Roemer allgemein ueblich und ein Gegner, der sich nicht wehren konnte, war der beste Gegner. Kaum ein Staat haette sich eine solche Gelegenheit entgehenlassen koennen, denn wenn der Gegener seine urspruengliche Staerke zurueckerlangt hatte, ohne dass man aus seiner Schwaeche einen Nutzen gezogen hatte, so raechte sich dies zumeist fuerchterlich. Die karthargische Aussenpolitik allerdings hatte in den Jahren vor der ersten grossen Auseinandersetzung mit Rom eben jenen Fehler begangen, als man beispielsweise gegen und nicht mit Koenig Pyrrhos focht (Pyrrhos). Zurueck aber zu Hamilkar und seiner Loewenbrut: Die Barkiden zogen im Jahre 237 nach Iberien (Spanien), um es fuer Karthargo zu erobern. Ihre Heimatstadt hatte diese neue Kolonie bitter noetig, denn nach dem Verlust der Mittelmeerinseln und nach den gewaltigen Reperationsleistungen stand Karthargo kurz vor der Verarmung. Bevor die Barkiden allerdings nach Iberien zogen, besuchte Hamilkar mit seinem aeltesten Sohn Hannibal den Baal-Tempel in Karthargo (Hannibal heisst uebrigens soviel wie „Gnade des Baal“) und liess ihn ewigen Hass auf Rom schwoeren. Hamilkar selbst muss von einem starken Hass auf Rom beseelt gewesen sein, denn diese hatten sich aus seiner Sicht als imperialistische vertragsbruechige Landraeuber erwiesen. Seinen Hass vererbte er auf Hannibal, der als kleines Kind die Taten der Roemer miterlebte, und der schwor, niemals Roms Freund zu werden. Im Alter von neun Jahren verliessen Hannibal und seine Brueder also Karthargo, um nach Iberien zu gehen. Hannibal sollte Karthargo erst nach ueber dreissig Jahren wiedersehen.
In Iberien erwies sich erneut Hamilkar Barkas Talent als Organisator und Feldherr. In wenigen Jahren unterwarf er erfolgreich die iberischen und keltiberischen Staemme in einem Feldzug, der mit dem von Caesar gefuehrten Gallienfeldzug verglichen werden mag. Die Gewinne aus den neuen Kolonien sendete der Barkide nach Karthargo, damit man die Reperationsleistungen zahlen konnte, weshalb auch Rom den Eroberungen des Barkiden eher wohlgesonnen war. Vorwuerfe, dass den Barkiden eine Reichsbildung auf der iberischen Halbinsel vorschwebte, scheinen gehaltlos, da die Barkiden loyal zu ihrer Heimatstadt standen. Auch Hannibal und seine beiden Brueder sollten absolut loyal sein, obwohl sie die groessten Teile ihres Lebens nicht in der Stadt verbrachten.

Hannibal und seine Brueder begleiteten den Vater auf seinen Feldzuegen gegen die Iberer und mussten wahrscheinlich auch miterleben, wie ihr Vater in einem reissenden Fluss ertrank. So fand das Leben Hamilkars ein Ende, der sich als genialer Feldherr erwiesen hatte, und es ist reine Spekulation ueber den Ausgang einer zweiten roemisch-karthargischen Auseinandersetzung Mutmassungen anzustellen, bei der der Vater der drei Barkas Brueder noch gelebt haette. Seine Nachfolge trat Hasdrubal „der Schoene“ an, der ein Schwiegersohn Hamilkars war und aus den frueheren karthargischen Besitzungen Spaniens stammte. Hasdrubal war offenbar nicht wesentlich ungeschickter als der Barkide. Er eroberte Spanien bis zum Ebro und gruendete Carthargo Nova, dass spaetere Cartagena. In Rom war man inzwischen aufgrund der karthargischen Expansion im erzreichen Iberien doch misstrauisch geworden und fand, dass es nun an der Zeit war, dem Eroberungsdrang der Kartharger Einhalt zu gebieten. Eine entsendete Delegation brachte in Cartagena schliesslich den Ebro-Vertrag mit Hasdrubal zustande (226), in welchem die Kartharger darauf verzichteten, den nordspanischen Fluss in feindlicher Absicht zu ueberqueren. Damit glaubte man in Rom die gallische Kuestenregion und die Zinnkarawanen aus Gallien genuegend geschuetzt zu haben.

Der Ebro-Vertrag wird im allgemeinen als grosser diplomatischer Erfolg Hasdrubals gewertet, denn schliesslich erlaubte der Vertrag den im ersten karthargischen Krieg unterlegenen Puniern freie Hand bei der Eroberung einer reichen Kolonie. Gerhard Herm weist in seinem interessanten Buch ueber die Kelten („Die Kelten“, Bechtermuenz Verlag) allerdings darauf hin, das die Roemer zwischen den beiden grossen Kriegen mit Karthargo vermehrt von einfallenden Kelten bedroht wurden. Am meisten fuerchteten die Roemer wohl eine Allianz zwischen den Karthargern und den Barbarenstaemmen, was sie erfolgreich verhinderten, indem sie den Kartharger in Iberien ein anderes Interessengebiet auslieferten. Waeren Kelten und Kartharger zu dieser Zeit gemeinsam in Italien eingefallen, haette sie wohl kaum mehr etwas aufhalten koennen. So aber ueberwanden die Roemer in den Jahren von 225 bis 222 die Keltenstaemme und konnten sich getrost wieder den Karthargern zuwenden. Hasdrubal, der weiterhin umsichtig regiert hatte, wurde 221 von einem iberischen Sklaven ermordet. Der Grund fuer die Tat bleibt im Dunkeln.

Kommen wir nun nach Hannibals Kindheit in Karthargo und seiner Jugend in Iberien zum dritten Akt in seinem Leben. Fuer die Streitkraefte der Kartharger in Iberien war es sonnenklar, wer der Nachfolger Hamilkars werden musste: der erst fuenfundzwanzigjaehrige Barkidenspross Hannibal. In Karthargo allerdings gab es auch Opposition gegen die Ernennung Hannibals zum Strategen, natuerlich unter der Fuehrung von Hanno „dem Grossen“. Erneut befuerchtete man das Streben der Barkiden nach absoluter Herrschergewalt. Die Barkidenpartei unter Bomilkar konnte sich allerings durchsetzen und Hannibal wurde in seinem Amt bestaetigt. Dieser laeutete seine Zeit als Stratege mit der Belagerung und Eroberung Saguntums ein, eine Stadt griechischer Abstammung, die unter dem Schutz Roms stand. Hannibal kuemmerte sich nicht um die Proteste Roms und hatte damit auch ganz recht, denn schliesslich befand sich Sagunt suedlich des Ebro. Nach monatelanger Belagerung fiel Sagunt (219) und in Rom forderte man die Auslieferung Hannibals. Der karthargische Senat lehnte ab und die offenen Feindseligkeiten begannen im Jahre 218. Von Sagunt aus brach Hannibal mit einem gewaltigen Heer auf: ca. 100.000 Mann folgten ihm in Richtung Italien. Nach der Ueberschreitung des Ebro mussten die laestigen Katalonier unterworfen werden. Nach getaner Arbeit liess Hannibal seinen Bruder Hasdrubal mit ca. 40.000 Mann in Iberien als Oberbefehlshaber zurueck. Er sollte es vor den erwarteten roemischen Strafexpeditionen schuetzen. Auch nach Karthargo ensendete Hannibal Truppenverbaende, was fuer seine Umsicht spricht. Hannibal zog ueber die Pyrenaeen und wurde in Gallien von einem keltischen Heer erwartet. Es gelang ihm allerdings, die Kelten davon zu ueberzeugen, dass er ihr Teritorium in friedlicher Absicht durchqueren wollte, um nach Italien zu gelangen. Hannibal entliess 7.000 unzuverlaessige Soeldner und verfuegte nun ueber ein Heer mit ca. 40.000 Mann Fusstruppen und 10.000 Reitern, nebst seinen 37 Kriegselefanten.

Wie setzte sich sein Heer zusammen? Wie bei den Karthargern ueblich, bestand Hannibals Heer vornehmlich aus Soeldnern. Bei den Fusstruppen fanden vor allem iberische Soeldner und balearische Schleuderer, die ihre Geschosse ebenso toedlich einsetzen konnten, wie Bogenschuetzen. Die leichte Kavalerie bestand aus etwa 4000 Numidiern, die besten Reiter und vielleicht auch die besten Krieger ihrer Zeit. Ihr Befehlshaber Maharbal war einer der wichtigsten Freunde und Unterfeldherren Hannibals. Ihm und seinen Reitern wuerde Hannibal die meisten seiner Siege zu verdanken haben. Die restliche Kavalerie bestand aus schweren Iberern, die teilweise zu zweit auf einem Pferd kaempften, wobei einer von beiden bei Kampfhandlungen absprang und vom Boden aus weiterkaempfte. Die 37 Kriegselefaten, die „Panzer“ der Antike, unterstuetzten die Truppen, wobei sie eher von psychologischen Nutzen waren, denn vor allem die verschreckten Kelten in den Alpen flohen vor den gewaltigen Fabelwesen. Sein groessten Siege allerdings errang Hannibal ohne die Dickhaeuter, die bis dahin schon alle gestorben waren.

In Gallien sah Hannibal von einer Belagerung der romfreundlichen Griechenstadt Massilia (Marseille) ab. Auch den Konsul Publius Cornelius Scipio, der mit seinen Legionen in Gallien lagerte, liess er unbehelligt, denn er wollte den Krieg unbedingt nach Italien bringen, wo er hoffte eine schnelle Entscheidung erzwingen zu koennen. Scipio beendete seine halbherzige Verfolgung Hannibals, nachdem dieser ueberraschend die Rhone ueberquert hatte. Dieses war ein ausserordentlich gefaehrliches Unternehmen gewesen, denn auf der anderen Rhoneseite wurde Hannibal von den keltischen Volskern erwartet. Diese waren ihm zwar an der Zahl unterlegen, haetten aber sicherlich keine Schwierigkeiten gehabt, die den Fluss ueberquerenden und kampfunfaehigen karthargischen Truppen zu vernichten. Hannibal entsandte des Nachts Hanno, einen Sohn Bomilkars, mit einer Kavallerieeinheit. Hanno ueberschritt die Rhone ein Stueck flussaufwaerts und ritt dann gegen die Volsker. Bei Tagesanbruch gab er Hannibal Rauchzeichen und dieser setzte ueber den Fluss.


Hannibals Elefanten setzen veraengstigt, aber sicher ueber. 
Die voellig ueberraschten Kelten, die ploetzlich eine karthargische Eliteeinheit in ihrem Ruecken fanden, ergriffen die Flucht. Kurz darauf kam es zu einem blutigen Vorhutgefecht der roemischen und karthargischen Kavallerie, nachdem Scipio, der Vater des beruehmten Scipio Africanus, welcher den Barkiden besiegen sollte, Hannibal in Richtung Alpen ziehen liess. Er zweifelte wahrscheinlich daran, dass es den Puniern gelingen konnte, mit einem solch gewaltigen Heer und den unbeweglichen Elefanten die Alpen zu ueberqueren. Er selbst kehrte per Schiff nach Norditalien zurueck, um die Reste der karthargischen Truppen dort zu empfangen. Seinen Bruder Cnaeus Cornelius Scipio schickte er derweil nach Spanien.

Hannibals Route bei seinem Zug ueber die Alpen bleibt ein ungeloestes Raetsel. Wir wissen nicht genau, bei welchem Nebenfluss der Rhone Hannibal abgebogen ist, um ueber die Alpen ziehen, vielleicht war es bei der Isere. Unsere Unwissenheit ruehrt von den Chronisten her, die uns ueber Hannibal berichten. Livius, ein Roemer, und Polybios, ein Grieche, geben uns unterschiedliche Auskuenfte ueber Hannibal und seinen Feldzug. Niemand weiss es wirklich, aber vielleicht ist Polybios der authentischste Biograph, denn dieser kam in der posthannibalischen Zeit als Geisel nach Rom und erlebte die Zerstoerung Karthargos im 3. Punischen Krieg (149-146) aus naechster Naehe, denn er war mit Scipio Aemilianus befreundet, einem Sohn des legendaeren Scipio Africanus. Polybios reiste angeblich auf Hannibals Spuren von Spanien ueber Gallien, durch die Alpen, bis nach Italien und beschreibt uns akribisch Hannibals Weg. Bevor Hannibal seinen Alpenzug beginnt traf er allerdings auf die keltischen Vokoulier. Er griff in deren Thronwirren ein und unterstuetzte den aelteren Bruder und Koenig der Vokoulier gegen dessen juengeren, rebellischen Bruder. Dafuer erhielt er Nahrungen und Informationen ueber die Alpen. Wie gesagt wissen wir nicht die genaue Route Hannibals durch die Alpen. Nach Polybios waere der „Col de Grimone“ moeglich, aber auch der „kleine St. Bernhard“, oder der „Col du Mont Geneve“ waeren moeglich. Eigentlich umoeglich; denn Hannibal ueberquerte das mitteleuropaeische Gebirge mit einem gewaltigen Heer, mit den fuer dieses Gelaende sicherlich nicht geschaffenen afrikanischen Truppen und Elefanten (die z.T. auch aus Indien kamen), ohne gesicherten Nachschub und noch dazu anfang Winter, denn inzwischen war es schon November geworden. Allerdings kam es ihm zu Gute, dass er den fuer antike Heere ueblichen Tross, in dem Frauen und Kinder der Soldaten reisten, Musiker, Schauspieler und Haendler, verboten hatte (Alexander der Grosse war hingegen oft von dem gewaltigen Tross behindert worden). Auch seine Frau Imilke, ueber die wir nur sehr wenig wissen (war sie Ibererin?), und seinen waehrend der Belagerung von Sagunt geborenen Sohn schickte er nach Karthargo. Was im weiteren mit den beiden geschah, ist nahezu unbekannt, aber wahrscheinlich sah Hannibal beide nicht wieder.

In den Alpen stiess Hannibal einmal mehr auf ein keltisches Heer, welches es auf die von Hannibals Heer mitgefuehrte Nahrung, Ausruestung und Pferde abgesehen hatte: die Allobroger. Sie besetzten wichtige Bergpaesse und liessen Steine, Speere und Pfeile auf den langgezogenen karthargischen Heereswurm prasseln. Des Nachts allerdings verliessen sie die Paesse, um in ihre Behausungen zurueckzukehren. Hannibal gelang es in einer Nacht, die verlassenen Stellungen zu erobern und vertrieb die Allobroger. Ihr Dorf wurde eingenommen und das Heer goennte sich eine zweitaegige Ruhepause. Doch die Keltenstaemme hatten noch immer nicht genug: die listigen Trikorier und mit ihnen verbuendete Staemme, schickten eine Gesandschaft zu Hannibal, die ihn, Freundschaft heuchelnd, in eine Falle lockte. In der Guilschlucht am „Mont Dauphin“ erwarteten ihn die Verbuendeten in einem moerderischen Hinterhalt. Hannibal konnte sie erst nach tagelangen Gefechten zurueckwerfen. Nach neun Tagen hatte Hannibal den Hochgebirgspass erreicht und nun machten sich seine Truppen an den Abstieg. Noch einmal mussten sie in den einsetzenden Schneefaellen schmerzliche Verluste hinnehmen. Die den Winter nicht gewohnten Afrikaner und Iberer stuerzten in die Steilschluchten ab, wurden von Lawinen verschuettet oder brachen sich wie ihre Reit- oder Lasttiere die Knochen auf den rutschigen abschuessigen Steinen. Hinzu kamen Felsbloecke, die den Karthargern die passierbaren Wege blockierten und die von ihnen „gesprengt“ werden mussten: Aus Wein gewonnener Essig und Holz wurden an solchen Gesteinsbrocken in Brand gesetzt. Die erhitzten Gesteinsbrocken konnten zerstoert werden und die Elefanten raeumten die Truemmer aus dem Weg (Livius).

Nach 15 endlosen Tagen, mittlerweile war es Ende November/Dezember, erreichte Hannibal endlich Norditalien, aber seine legendaere Alpenueberquerung hatte fuerchterliche Verluste gefordert: mehr als zwanzigtausend Mann waren an Hunger und Kaelte gestorben, waren in Schluchten gefallen oder von den Kelten getoetet worden. Hannibal kommandierte bei seiner Ankunft nur noch ca. 26.000 Mann, bestehend aus 12,000 afrikanischen Fussoldaten, 6000 iberischen Infanteristen und 8000 Reitern, die erschoepft von dem moerderischen Marsch waren. Bei ihrer Ankunft mussten sie erst einmal die Hauptstadt des feindlichen keltischen Tauriskerstammes erobern: Augusta Taurinorum (Turin).
Nun musste Hannibal sein Feldherrengenie zum ersten Mal unter Beweis stellen, denn am Tacinius traf er zum ersten Mal auf die Legionen Roms, die sich ausgeruht und auf ihn vorbereitet hatten. Sie standen unter dem Kommando des Consuls Cornelius Scipio, der Hannibal in Gallien nicht mehr erreicht hatte. Mit Hannibals Sieg ueber den Consul begann der Groesste der Punier seinen beispiellosen Siegeszug durch ganz Italien, bei welchem er die Roemer in drei weiteren grossen Treffen vernichtend schlagen sollte, viele weitere Gefechte gewann und ueber fuenfzehn Jahre ganz Italien ungeschlagen verwuesten sollte. Vor dem Kampf liess Hannibal die gefangenen Kelten bei einer Art Gladiatorenkampf auf Leben und Tod um die Freiheit ringen. Diese Kaempfe waren symbolisch, denn ebenso wie bei den Kelten ging es fuer die Kartharger nun bei jedem Treffen mit den Roemern um Leben und Tod.

Die von Cornelius Scipio am Tacinius aufgestellten roemischen Speerwerfer wurden unter der Fuehrung Hannibals von der iberischen Kavalerie ueberrannt. Als die Roemer zurueckwichen, schickte Hannibal seine Numider unter Mahabal in den Ruecken der roemischen Verbaende, die roemische Kavalerie wurde aufgerieben. Die sich zurueckziehenden Roemer mussten schwerste Verluste hinnehmen, Cornelius Scipio wurde von einem Speer schwer verwundet und konnte nur durch den mutigen Einsatz seines Sohnes Scipio, der wie sein Vater Publius Cornelius hiess, gerettet werden. Zum ersten Mal hatte der Kartharger sein taktisches Koennen bewiesen, was er bald spaeter erneut eindrucksvoll unter Beweis stellen wuerde. Die gewonnene Schlacht hatte auch Signalwirkung auf die bisher mit den Roemern verbuendeten Kelten: sie stellten sich als Volk auf Hannibals Seite und stellten ihm wertvolle Hilfstruppen zur Verfügung oder desertierten aus den roemischen Verbaenden zu ihm.

In Rom bekam man inzwischen Angst vor dem jungen karthargischen Emporkoemmling, der das Unmoegliche gewagt und geschafft hatte (den Alpenuebergang mit einer Armee) und nun die Frechheit besass, roemische Legionen auf italischen Boden zu vernichten. Aus Sizilien war der zweite Konsul Tiberius Sempronius Longus herbeigerufen worden. Dieser traf mit seinen Legionen an der Trebia (ueber diesen Fluss war Scipio d. Ae. geflohen und hatte alle Bruecken abreissen lassen) im Dezember 218 ein und bestaunte die entwuerdigten Reste von Scipios vormals stolzen Legionen. Trotz den Warnungen Scipios konnte es der zweite Consul, der ein Heissporn war, nicht erwarten, die am anderen Ufer lagernden Kartharger zur Schlacht zu stellen. Ebenso wie vorher Scipio muss Sempronius ueber zwei Legionen verfuegt haben. Diese bestanden je aus ca. 4500 Roemern und nochmal die gleiche Menge an italischen oder keltischen Hilfstruppen. Hinzu kamen weitere Hilfstruppen, wie zum Beispiel Kavallerieeinheiten. Dazu wurde Sempronius von den Resten von Scipios Armee verstaerkt (er verfuegte ueber ca. 40000 Mann, Hannibal mittlerweile ueber ca.38000 Mann).
Hannibal hatte den Charakter seines neuen Gegners ganz richtig eingeschaetzt. Er entsendete seine Numider, auf dass sie in der naeheren Umgebung marodierten und sich mit Sempronius Vorhut auf kleinere Scharmuetzel einliessen, sich aber sogleich zurueckzogen, wenn sie auf Widerstand stiessen. Der derartig gereizte Consul beachtete keine der Warnungen seines verwundet darniederliegenden Mitconsuls Scipio, sondern befahl den Angriff. Die Roemer durchquerten an einem eisigen Wintermorgen im Dezember und wurden dort von den ausgeruhten und wohl gewaermten Karthargern erwartet. In der Mitte hielten karthargische, libysche und iberische Infanteristen dem Druck der ueberlegenen Infanterieverbaenden der Roemer stand; derweil verjagte die ihrerseits ueberlegene karthargische Kavallerie die unterlegene roemische und umfasste das roemische Heer. Hinzu kam ein weiterer genialer Schachzug Hannibals. Sein juengster Bruder Mago hatte sich laut seinem Befehl in den Uferboeschungen mit einer ca. 1000 Mann starken Kavallerieeinheit und 1000 Mann Infanterie versteckt, und viel den frierenden Roemern nun in den Ruecken. Die Romer versuchten Panikartig durch den Fluss zu fliehen, wobei etliche von ihnen, verfolgt von der numidischen Kavallerie ums Leben kamen. Die Nierderlage der Roemer war vollkommen, ungefaehr 10000 der Roemer waren gefallen, waehrend die Kartharger nur geringe Verluste zu beklagen hatten.
Die meisten Gallier, allen voran die Bojer, in deren Hauptstadt Bononix (Bologna) Hannibal ueberwinterte, schlossen sich nun Hannibal an, Norditalien befand sich im hellen Aufstand. Im Fruehjahr 217 verliess Hannibal Bononix und zog in Richtung suedliches Italien. In Rom hatte man inzwischen zwei neue Consuln gewaehlt: Cnaeus Servilius Geminus und Caius Flaminius Nepos, die dem immer bedrohlicher werdenden Kartharger Einhalt gebieten sollten. Um ihn daran zu hindern, nach Italien einzufallen, liessen die beiden Consuln Verkehrswege und die Paese des Apennin besetzen. Hannibal blieb also nichts anderes uebrig, direkt ueber das mittelitalienische Gebirge zu ziehen. Zu diesem Zeitpunkt waren uebrigens alle Elefanten, die den Alpenuebergang angeblich komplett ueberlebt hatten, bis auf einen gestorben. Ob sie an der feuchtkalten Witterung des norditalienischen Winters starben oder von den Roemern am Tacinius oder an der Trebia getoetet wurden, ist unbekannt. Nur Surus, „der Syrier“, war uebriggeblieben und trug Hannibal nun auf seinem Ruecken den karthargischen Truppen voran. Nach der Ueberwindung des Apennins mussten die Punier die Suempfe des Arno-Tals durchziehen, wobei sie eine groessere Anzahl an Maennern und Pferden verloren. Auch Hannibal blieb vom Sumpf nicht verschont: Eine Augenentzuendung, die der an Schlafmangel leidende Feldherr nicht behandeln liess, machte ihn auf dem linken Auge blind. Schliesslich hatte man aber die fruchtbaren Ebenen Etruriens erreicht und Hannibal liess sie von seinen Truppen verwuesten. Der aufgebrachte Consul Flaminius verfolgte Hannibal sogleich.
Zum Dritten Mal liess Hannibal sein taktisches Genie aufblitzen. In der Daemmerung des 20. Junis 217 liess er die Roemer beobachten, wie seine Truppen an den Ufern des Trasiminischen Sees lagerten. Des Nachts zog er sie allerdings groesstenteils auf die die Lagerstaette umgebenden beiden Huegel zusammen. Im morgendlichen Fruehnebel befahl Flaminius den Angriff auf die Kartharger, von denen er immer noch erwartete, dass sie am Ufer lagern wuerden. Im Uferbecken angelangt wird Flaminius mit Schecken festgestellt haben, dass sich hier nur kleine Verbaende der keltischen Hilfstruppen befanden, und waehrend sich der Fruehnebel aufloeste stuerzten sich die Kartharger auf die Roemer, die sich fast freiwillig hatten einkesseln lassen. Die balearischen Schleuderer brachten ihnen grosse Verluste bei, waehrend sich die iberischen Reiter auf die Nachhut des Flaminius stuerzten, um sie vom Gros abzuschneiden. Drei Stunden dauerte das fuer die Roemer aussischtslose Gemetzel, und die Armeen waren angeblich so in das Toeten vertieft, dass sie ein gewaltiges zeitgleiches Erdbeben nicht registrierten. Consul Flaminius fiel, nach tapferer Gegenwehr, getoetet vom keltischen Insubrerhaeuptling Ducarius und die Roemer wichen in die einzige Richtung zurueck, die ihnen uebrig blieb: zum See. Auch hier ging das Gemetzel weiter, denn die Numider erschlugen die nur noch mit den Koepfen aus dem Wasser ragenden Römer, sofern sie noch nicht ertrunken waren. Noch heute heisst eine naheliegende Ortschaft „Sanguineto“ (=Blutstaette), weil die Wasser des Fluesschens Macerone angeblich noch drei Tage lang rot vom Blut der gefallenen Roemer war, deren 15000 gefallen waren. Mit den 10000 Gefangenen verfuhr Hannibal ebenso wie mit vorher gemachten Gefangen: die roemischen Soldaten behielt er nach Kriegsrecht in Gefangenschaft, Italier und Kelten aber entliess er ungehindert, da er offen demonstrieren wollte, dass er nicht ihr Feind sei, sondern nur der Feind Roms. Dennoch scheuten die meisten Buendnispartner Roms einen offenen Seitenwechsel.
Nun folgt der Hoehepunkt des dritten Aktes, wenn wir das Leben Hannibals als ein klassisches Drama betrachten, seine Schlacht und sein Sieg von Cannae. Wie kaum eine andere Schlacht ist die Kesselschlacht von Cannae in die Geschichte eingegeangen, vielleicht nur vergleichbar mit Issos, Waterloo und Pearl Harbour. Noch heute fasziniert es Militaerhistoriker, wie Hannibal diese Schlacht gewinnen konnte, obwohl er dem groessten jemals aufgestelltem roemischen Heer gegenueber stand, welchem er an Zahl doppelt unterlegen war.
Doch wie als haette ein klassischer Autor, vielleicht ein Shakespeare, sein Leben verfasst, so arbeiteten die Ereignisse zuerst langsam auf diesen vorlaeufigen Hoehepunkt im zweiten punischen Krieg hin. Der Trasiminer See war nur 150 Kilometer von Rom entfernt und die Nachricht von der katastrophalen Nierderlage erreichte Rom nur einen Tag spaeter. Es brach Panik in der Stadt aus und noch waren die Hiobsbotschaften nicht beendet: eine grosse Kavalerieeinheit, die der zweite Consul Servilius unter Caius Centenius seinem Mitconsul Flavius zu Hilfe sendete, nicht ahnend, dass desse Armee bereits vernichtet war, wurde von Mahabals Numidern aufgerieben(etwa 4000 Tote), dem Caius der Kopf abgeschlagen.
Anders aber als das persische Grossreich, dass sich nach drei verlorenen Schlachten Alexander dem Grossen ergeben hatte, dachten die zaehen Roemer nicht an Verhandlungen. Waehrend Hannibal weiter pluendernd durch Italien zog, wurden in Rom alle Mittel eingesetzt, um eine neue Armee auszuruesten. Erste Massnahme war allerdings das Ausserkraftsetzen der Verfassung und die Einsetzung eines Diktators, naemlich des Quintus Fabius Maximus, der zu diesem Zeitpunkt nahezu siebzig Jahre alt war. Rom mobilisierte mit allen Mitteln eine neue Armee: Sklaven und Gefangene wurden befreit und bei einem Sieg wurde ihnen die Freiheit in Aussicht gestellt. Um den Sold zu bezahlen, wurde das Gewicht der Muenzen, die ihren Nennwert behielten, halbiert. Rom haette laut eigenen Angaben ca. 700000 Mann organisieren koennen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass nur die Haelfte dieser Maenner zur Verfuegung standen, und dass die Armeen aufgesplittert werden mussten, da man in Norditalien gegen die Kelten kaempfte, in Spanien gegen Hannibals Bruder Hasdrubal und in Mittelitalien gegen den karthargischen Strategen selbst, kann man erahnen, welche militaerische Leistung der geniale Barkide, der nie mehr als 60000 Mann in die Schlacht fuehren konnte, bei Cannae und in den vierzehn folgenden Jahren erbrachte. Flavius verfolgte die vorsichtige und hinhaltende Taktik der „verbrannten Erde“. Ortschaften, Bauernhoefe und Nahrungsmittel gingen in Flammen auf, um sie Hannibal zu entziehen. Die Bevoelkerung begab sich in befestigte Stellungen.
Hannibal zog derweil pluendernd und sengend durch Apulien, eine der reichsten und fruchtbarsten Gegenden des damaligen Italiens. Seine Numider marodierten im gesamten umliegenden Land, denn Hannibal wollte den vorsichtigen Diktator zur Schlacht stellen; dazu war ihm jedes Mittel recht: waehrend er die Landbesitzungen der Roemer in Apulien und der Campagna brandschatzte, verschonte er ausgerechnet die Besitzungen Fabius. Dessen Politik war ohnehin unpopulaer und so zog er Hannibal schliesslich hinterher. Hannibal, der sich in Apulien auf den Winter vorzubereiten schien, wurde von den gewaltigen Truppenmassen des umsichtigen Fabius eingekreist. Um sich aus der Umklammerung zu loesen, griff Hannibal zu einem legendaeren Tricks, von dem man nicht sagen kann, ob er wirklich zur Anwendung gekommen ist. Schon vorher hatte er eine Truppeneinheit nach Apulien gelockt, welche von den Numidern komplett vernichtet worden war. Die roemischen Legionaere schrien nach Rache, doch Fabius, der spaeter der „Zauderer“ genannt werden sollte, liess sich die Schlacht immer noch nicht aufzwingen, sondern begnuegte sich mit dem Abriegeln des apulischen Gebirges. Um die Legionaere von dem besetzten Pass wegzulocken, band Hannibal in der Nacht 2000 Ochsen Fackeln an die Hoerner, entzuendete diese und jagte sie einen in der Naehe gelegenen Hang hinauf. Die Roemer glaubten, dass hier der Durchbruch der Kartharger stattfinden sollte und rueckten gegen den von Ochsen besetzten Huegel vor. Hannibal aber zog unbehelligt durch den nun freigewordenen Pass. Der Senat begann an dem „Zauderer“, den Hannibal derart genarrt hatte, zu zweifeln und bestellte den draufgaengerischen Minucius Rufus zum Mit-Diktator. Hannibal eroberte Gerunium, liess die widerwilligen Bewohner hinrichten und richtete dort sein Winterlager ein. Waehrend der glaeubige Fabius nach Rom ging, um an Opferfeierlichkeiten teilzunehmen, warnte er Rufus eindringlich vor einem Angriff. Dieser allerdings wollte sich offenbar nichts befehlen lassen und rueckte auf Gerunium vor, wurde aber zurueckgeschlagen. Als Fabius zurueckkehrte, wurde der Oberbefehl ueber die vier Legionen erneut geteilt. Mit seinen zwei Legionen wagte Rufus die Schlacht gegen Hannibal, wurde aber geschlagen. Die Reste seiner Truppen konnten nur Dank dem rechtzeitigen Eingeifen des Fabius gerettet werden und Rufus dankte seinem aelteren Mitdiktator im Namen ganz Roms.
Im kommenden Jahr 216 wurde Fabius nicht wiedergewaehlt. Fabius recht erfolgreiche Strategie stiess auf breitschichtige Ablehnung und durch Hannibals Verschonung seiner Landgueter hatte er mittlerweile einen zweifelhaften Ruhm. Man griff auf das altbewaehrte Konsulsystem zurueck und Lucius Aemelius Paulus und der aus der „Gosse“ (laut Mommsen/“ Roemische Geschichte“) stammende populaere Caius Terentius Varro uebernahmen den Oberbefehl ueber das Grossheer. Letzterer trieb Paulus immer wieder zur Schlacht und hetzte die Bevoelkerung auf. Schliesslich ging man darauf ein und versuchte, entgegen der Fabianischen Hinhaltetaktik, Hannibal zur Schlacht zu stellen. Hannibal eroberte derweil Cannae, dass in Sueditalien am Aufidus in der Naehe der Adriakueste liegt. Hier marschierte nun auch das gewaltige roemische Heer auf, bestehend aus 8 Legionen mit 80000 Mann Fusstruppen und 6000 Reitern. Hannibal verfuegte nur ueber 35000 Infanteristen, aber 10000 Kavalleristen. Nach einem Vorpostengefecht, welches die Numider die Roemer hatten gewinnen lassen, befahl der uebereifrige Varro entgegen dem Rat des Paulus den Grossangriff, und so kam es an den Ufern des Aufidius zu der beruehmten Vernichtungsschlacht.
In der Mitte beider Aufstellungen standen sich die Fusstruppen gegenueber. Im Kern der roemischen Aufstellung befanden sich die Elite-Legionaere, waehrend im Kern der karthargische Armee die leichten keltischen und italischen Verbaend standen. Ihre Elitetruppen standen an den Flanken, ihnen gegenueber standen die roemischen Auxliliartruppen. Die Roemer draengten mit aller Macht auf die Kartharger zu und warfen sie zurueck. Waehrenddessen schlug Mahabal die roemische Kavallerie und rieb sie mit Hasdrubals (ein Namensvetter von Hannibals Bruder) Reitereinheiten vom anderen Fluegel beinahe komplett auf. Die Falle schnappte nun zu: die Einheiten Hannibals schlossen sich wie ein Halbmond um den kompakten Angriffsblock der Roemer. Die Reitereinheiten, die sich mittlerweile im Ruecken der Roemer befanden, schlossen sich zusammen und griffen die Roemer hinterruecks an, um den Kessel zu schliessen. Das folgende blutige Gemetzelwar unbeschreiblich, der Sieg der Kartharger vollkommen. Noch heute nennt man die gelungene Umkreisung eines Gegners einen „Cannae“ und etliche Feldherren haben versucht Hannibals Taktik zu kopieren, unter anderem der Scipio, der ihn spaeter mit eben dieser Taktik schlagen sollte. Das beruehmtestes und groesstes Beispiel ist vielleicht der „Schlieffenplan“, bei dem die franzoesischen Stellungen durch die Deutschen mit einer Umgehung durch Belgien umfasst, und vernichtet werden sollten. Im ersten Weltkrieg scheiterte man klaeglich (Wunder an der Marne, 1914 n. Chr.), im zeiten Weltkrieg fuehrte diese Taktik zu einem schnellen Erfolg (Mai/Juni 1940 n. Chr.).
Varro, dessen Auxiliartruppen von den Numidern verjagt worden waren, schlug sich ebenso wie diese in die Flucht. Der Zurueckgeblieben Paulus und die verbliebenen Truppen schlugen sich tapfer bis zu dem bitteren Ende. Bevor dieses Ende kam, mussten die Legionaere in der Mitte des Kessels hilflos der Vernichtung ihrer Kameraden an der aeusseren Peripherie im Kessel zusehen. Ca. 70000 Mann fielen am 2.8.216, unter ihnen Konsul Paullus, sein Vorgaenger und Diktator Rufus, 19 Militaertribune und 80 Senatoren. Hannibals Verluste betrugen nur etwa 6000 Mann. Eines der groessten Blutbaeder in der Weltgeschichte war endlich beendet.


Das Forum Romanum. 
Nach der Schlacht forderten Hannibals Unterfeldherren, allen voran Mahabal, der den Ausspruch „Zu siegen verstehst du, Hannibal, nicht aber den Sieg zu nutzen!“ getaetigt haben soll, von ihm, auf Rom zu marschieren. Nach nur einer Woche wuerde man auf dem Kapitol fruehstuecken. Hannibal lehnte ab, eroberte dafuer Capua.

Warum marschierte Hannibal in diesem scheinbar guenstigen Moment nicht auf Rom? Warum wich Hannibal der scheinbaren Entscheidung aus, wofuer er von aelteren Geschichtsschreibern und Historikern nur Spott erntete? War er wirklich solch ein Narr?

Wahrscheinlicher ist, dass Hannibal aus militaerischer Notwendigkeit handelte und sich nicht von seinem ueberragenden Sieg blenden liess. Damit stellte er, wie heute im allgemeinen angenommen wird, erneut seine erstaunliche Uebersicht und Umsicht dar. Obwohl er vergleichsweise geringe Verluste in der Schlacht von Cannae hinnehmen musste, waren sie doch empfindlich, wenn man die eigentliche Groesse seines Heeres betrachtet. Seine Truppen waren muede und erschoepft und Nachschubwege waren nicht gesichert. Vor Rom haette man Belagerungsmaschinen gebraucht, die nicht vorhanden waren, also erst haetten erbaut werden muessen. Waehrend Hannibal jetzt nur noch ueber ca. 40000 Mann verfuegte, waere es fuer die Halb-Millionenstadt ein leichtes gewesen, dass dreifache an Maennern aufzubieten. Ausserdem fielen die italischen Buendnispartner Roms immer noch nicht von der Tiberstadt ab, trotz Hannibals Sieg, und haetten ihm bei einer Belagerung in den Ruecken fallen koennen.
Vorlaeufig hatte Hannibal alles erreicht und er begnuegte sich mit Capua, der zweitreichsten und zweitgroessten Stadt Italiens, an der Mittelmeerkueste gelegen und nicht allzuweit von Rom entfernt, die sich ihm freiwillig ergab. Hier konnte er ueberwintern und seinen Bruder Mago nach Karthargo schicken.

In Rom war mittlerweile Panik ausgebrochen und nach Jahrhunderten wurden den Goettern wieder Menschenopfer dargebracht: ein griechisches und ein keltisches Paar wurden bei lebendigen Leibe begraben, um die zuernenden Goetter zu besaenftigen. Vorher waren vor allem die Kartharger fuer ihre bekannte Opferung von Kindern an den Baal als Barbaren geschmaeht worden.

Nun aber sollte der tragische Abstieg Hannibals beginnen, der sich jetzt auf dem Hoehepunkt seiner Macht befand. Von jetzt an aber wuerde ihm alles misslingen, was er anfassen sollte, seine Machtposition immer schwaecher werden und die Narreteien des karthargischen Senats ihn in den Untergang fuehren. Sinnbild fuer das Scheitern Hannibals ist sein Vertrag mit Phillip dem 5. von Makedonien. Der Makedone, der sich als direkter Nachfahre Alexanders des Grossen verstand, wollte die makedonische Hegemonie in Griechenland auf Kosten der Roemer wieder errichten, war aber ein unbestaendiger und untalentierter Herrscher. Der von Rom eilig zum Buendnispartner gemachte Aetolische Bund bekaempfte die Makedonier erfolgreich. Daneben kaempften roemische Truppen mittlerweile auf drei Schauplaetzen, Spanien, Italien und Griechenland, warfen den Vortsoss Phillips nach Illyrien zurueck und schlugen ihn vernichtend.
Der vierte Akt in Hannibals Leben nahm nun unbarmherzig seinen Lauf und wuerde in seiner Niederlage bei Zama gegen Scipio enden. In seinen Feldzuegen in Italien konnte Hannibal von 215 an keine durchschlagenden Erfolge mehr feiern, obwohl er roemische Truppen jerderzeit erneut schlug. Roms neuer Diktator, der wiederum aufruestete und das Gewicht der Muenzen verringerte, wurde Jera, Oberbefehlshaber der italienischen Armeen wurde Claudius Marcellus, der aeusserst geschickt handelte. Bei Nola brach Marcellus durch Hannibals Truppenverbaende. Hannibal eroberte und verlor in den folgenden vierzehn Jahren Tarent (beidemale durch Verrat), scheiterte bei dem Versuch das von ihm eingenommene und von den Roemern belagerte Neapel zu entsetzen, siegte ueber Flavius bei Herdonia, ueber Pernula andernords, siegten die Lukaner ueber Gracchus. Trotz seiner vielen kleinen Erfolge konnte er keinen grossen entscheidenden Sieg erringen und wenn er siegen konnte, so verlor er an anderer Stelle wichtige Truppenteile. Auch Capua fiel 211 an Rom zurueck. Hannibals Versuch, die ueberlegenen roemischen Verbaende von Capua abzuziehen, indem er auf Rom zog („Hannibal ad portas“) scheiterte klaeglich. Capua fiel, und die Stadtoberhaeupter begingen, den Namen Hannibals verfluchend, Selbstmord. Jener Kleinkrieg sollte noch jahrelang weitergefuehrt werden, aber entscheidend wurden andere Kriegsschauplaetze: Spanien und Sizilien.
Aufgrund der dort gefuehrten Feldzuege wurde Hannibal nach seinem Sieg von Cannae nur laecherliche Unterstuetzung von Karthargo gewaehrt. Selbst der von ihm in die Heimatstadt entsendete Bruder Mago erreichte bei den naerrischen Geldsaecken nichts; sie schickten Mago mit laecherlichen 4000 Mann zurueck nach Italien, ruesteten aber ein grosses Heer fuer Hasdrubal in Spanien, anstatt die in der Luft liegende Entscheidung in Italien zu suchen. Von nun an war Hannibal dazu verdammt, seine kleinen Erfolge mit einer bestaendig dahinschmelzenden Heeresmacht zu erringen. Er musste den haeufiger werdenden Rückckschlaegen immer tatenloser zusehen. Die geizige Politik der Kartharger, wahrscheinlich wieder einmal vom alten Barkidenfeind Hanno „dem Grossen“ gefuehrt, schätzten die reichen iberischen Kolonien als wichtiger ein, als ihren bis dahin so erfolgreichen General. Unabhaengig von Hannibal fiel die Entscheidung in Spanien im Zweikampf zwischen Hasdrubal und den Scipionen. Den Kampf um Rom aber hatte Hannibal schon vor Ablauf des zweiten punischen Krieges verloren.

 


Christian Ilaender, Mai 1996.
Geaendert August 1996.


Hannibal


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